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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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der mich hören konnte, und ich sagte es nur in meinem Kopf. Aber es stimmte, es war etwas in der Karte: ein Foto von Aidan. Warum schickte mir jemand ein Foto von ihm? Ich hatte doch schon massenhaft. Dann sah ich, dass ich mich irrte. Es war gar nicht von ihm. Und da verstand ich alles.

Teil Drei

EINS
    Ich wachte im falschen Zimmer auf. Im falschen Bett. Mit dem falschen Mann.
    Eine kleine Lampe brannte, sonst war das Zimmer dunkel. Ich lauschte auf seinen Atem, aber ich konnte ihn nicht ansehen.
    Ich musste hier weg. Vorsichtig glitt ich aus dem Bett, auf keinen Fall wollte ich ihn wecken.
    »Hey«, sagte er. Er schlief gar nicht. Er stützte sich auf einen Ellbogen. »Wo willst du hin?«
    »Nach Hause. Warum schläfst du nicht?«
    »Ich beobachte dich.«
    Mir lief ein Schauder über den Rücken.
    »Nicht so«, sagte er. »Ich passe auf dich auf.«
    Mit dem Rücken zu ihm suchte ich auf dem Fußboden nach meinen Sachen und versuchte, meine Nacktheit zu verbergen.
    »Anna, bleib bis zum Morgen.«
    »Ich will nach Hause.«
    »Ein paar Stunden schaden doch nicht.«
    »Ich gehe nach Hause.« Ich konnte meinen BH nicht finden.
    Er stieg aus dem Bett, und ich wich zurück. Ich wollte nicht, dass er mich berührte. »Ich gehe nur nach nebenan«, sagte er. »Damit du dich in Ruhe anziehen kannst.«
    Er ging aus dem Schlafzimmer. Ich konnte nur seine Beine ansehen, und auch die nur von den Knien nach unten.
    Als er wieder reinkam, war ich angezogen. Er gab mir eine Tasse Kaffee und sagte: »Ich hole dir ein Taxi.«
    »Okay.« Ich konnte ihn immer noch nicht ansehen. Der vergangene Tag mit all seinen Schrecknissen kam mir wieder in den Sinn. Ich erinnerte mich, dass ich mir die Kleider vom Leib gerissen und gekreischt hatte: »Fick mich, fick mich. Was macht es dir schon aus? Du bist doch ein Mann. Du brauchst keine emotionale Beziehung. Fick mich doch.«
    Ich hatte mich nackt auf sein Bett gelegt und gebrüllt: »Mach schon!« Ich wollte meinen Zorn austreiben, meinen Verlust, meine Verzweiflung. Ich wollte, dass er meinen toten Mann austrieb, damit ich den Schmerz nicht mehr spürte.
    »Das Taxi ist da.«

    Die Sonne ging gerade auf, und alles lag da in morgendlicher Stille, als ich nach Hause fuhr. Obwohl ich keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte, fühlte es sich an, als hätte ich den schlimmsten Kater meines Lebens.
    Ich schloss die Tür zu meiner Wohnung auf, machte das Licht an und nahm erneut den Umschlag aus meiner Tasche und betrachtete das Foto des kleinen Jungen, der Aidan wie aus dem Gesicht geschnitten schien, der aber nicht Aidan war.
    Am Tag zuvor, als ich auf der Stufe vor meinem Haus stand und das Bild des kleinen Jungen mit der Red-Sox-Kappe betrachtete, war es die Narbe durch die Augenbraue gewesen, die das Geheimnis gelüftet hatte. Aidan war zu seiner am Tag seiner Geburt gekommen – eine kleine Verletzung, die nie richtig verheilt war. Der Junge auf dem Foto hatte zwei makellose Augenbrauen, keine Narbe. Ich hatte auf das Datum des Fotos geguckt. Ich hatte das Foto angestarrt und gedacht: Das kann nicht stimmen, aber ich wusste es trotzdem: Dieser kleine Junge war vor achtzehn Monaten geboren worden.
    Mit dem Foto war ein Brief gekommen: Die dünne Karte ließ sich zu einem großen Blatt Schreibpapier ausfalten. Aber ich wollte nicht lesen, was sie geschrieben hatte, ich wollte nur wissen, wer sie war. Ich überflog das Geschriebene bis zu dem Namen am Ende, und wer sollte es anderes sein als – was für eine Überraschung – Janie.
    Der rote Nebel hatte sich auf mich herabgesenkt, und ich hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Sie hatte ihn all diese Jahre gehabt. Und jetzt hatte sie einen Sohn von ihm. Und ich hatte nichts.
    Ich wusste sofort, was ich tun würde.
    Mit zitternden Fingern in der kühlen Morgenluft rief ich Mitch an. Aber jemand, der nicht Mitch war, antwortete: »Bei Mitch.«
    »Kann ich bitte Mitch sprechen?«
    »Im Moment nicht.« Der Jemand lachte leise. »Er hängt an einer sechs Meter hohen Decke und befasst sich mit Mikroelektronik.«
    Ich wusste darauf nichts zu erwidern. Ich war zu wütend. Dann holen Sie ihn, verdammt noch mal, runter!
    »Sagen Sie ihm, Anna möchte ihn sprechen. Sagen Sie, es sei dringend. Sehr, sehr dringend.«
    Aber der Mensch am Telefon rief nicht einmal zu Mitch auf der Leiter rauf, was ich gesagt hatte. Zu mir sagte er: »Mitch ist ganz schön am Schwitzen da oben. Sobald er runterkommt, sage ich ihm, er soll Sie anrufen.«
    Ich unterbrach

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