Erdbeermond: Roman (German Edition)
Plötzlich warst du verschwunden.«
Der Ausdruck auf Aidans Gesicht sagte: Kann man uns nicht allein lassen? Dann lächelte er und machte uns miteinander bekannt: »Anna, das ist mein bester Freund, Leon. Leon arbeitet bei Kent, dem Geburtstagskind. Und das ist Dana, Leons Frau.«
Dana war fast einen Kopf größer als Leon, sie hatte lange Beine und einen großen Busen, dichtes Haar mit mehrfarbig getönten Strähnchen und strahlende, gleichmäßig gebräunte Haut.
»Hi«, sagte ich.
»Hi«, sagte auch sie.
Leon fragte mich besorgt: »Krasse Party, oder?«
»Ehm …«
»Das hier sind die Guten«, sagte Aidan. »Sagen Sie ruhig, wie es ist.«
»Okay. Es ist eine super-krasse Party.«
»Wie wahr«, seufzte Dana und wedelte mit der Hand vor der Brust. »Mischen wir uns unters Volk. Je eher wir damit anfangen, desto eher können wir wieder gehen. Ihr entschuldigt uns.«
»Hau ab, wenn du es nicht länger aushältst«, sagte Leon zu Aidan, dann waren wir wieder allein.
War es, als die beiden kichernden Männer wie zwei Schulmädchen mit ihrem Plastiktütchen zusammen zur Toilette rannten oder als die jungen Frauen, die kurz vor der Entziehungskur standen, das passierte Hühnchen aus den Blätterteighörnchen löffelten und sich auf das Dekolleté schmierten, dass Aidan fragte: »Anna, sollen wir hier abhauen?«
Sollen wir abhauen? Ich sah ihn an, verärgert über die Anmaßung. Das ganze spontane Jetzt-gleich-worauf-warten-wir-noch-Zeug ist okay, wenn man neunzehn ist, aber ich war einunddreißig, ich haute nicht einfach mit einem fremden Mann ab.
Ich erwiderte: »Ich sage eben mal Jacqui Bescheid, dass ich gehe.«
Ich fand sie in der Küche, wo sie einer gebannten Gruppe zeigte, wie man einen echten Manhattan machte, und sagte, ich würde gehen. Doch vorher musste ich mir meinen Mantel in Kents Schlafzimmer unter einem Paar hervorholen, das auf dem Bett vögelte. Von der Frau konnte ich nur die Beine und die Schuhe sehen, an einer Schuhsohle klebte ein Kaugummi.
»Welcher Mantel ist Ihrer?«, fragte Aidan.»Dieser hier? Tschuldigung, kann ich mal …«
Er zog, der Mantel bewegte sich, er zog weiter, und schließlich rutschte der Mantel heraus, und wir rannten aus dem Zimmer. Wir waren von unserer Flucht so aufgeputscht, dass wir nicht auf den Aufzug warten konnten, und von all der ungewöhnlichen Energie angetrieben, rannten wir die Treppe runter und auf die Straße hinaus.
Es war Anfang Oktober, die Tage waren hell und freundlich, aber nachts wurde es kühl. Aidan half mir in meinen Mantel, einen mitternachtsblauen Samtmantel mit einer silbrigen Stadtlandschaft darauf. (Ich hatte ihn umsonst bekommen. Eine Zeit lang machte McArthur die Werbung für zwei Designer namens Fabrice & Vivien, die anfangs, bis sie mit der Leistung nicht mehr zufrieden waren, großzügigst Geschenke verteilten. Franklin, der sie als Kunden gewonnen hatte, bekam die Geschenke, auch den Mantel, aber da er ein Mann war – wenn auch ein Jolly Boy –, konnte er ihn nicht gebrauchen und gab ihn mir. Lauryn spricht noch heute voller Bitterkeit darüber.)
»Ihr Stil gefällt mir«, sagte Aidan und trat zurück, um mich richtig mustern zu können. »Ja.«
Und mir gefiel seiner. Mit der Mütze und der Jacke und den großen Stiefeln war es der Arbeiter-Chic. Das würde ich ihm aber nicht sagen. Und zum Glück war Jacqui nicht da und hörte Aidan nicht, denn Bemerkungen über Bekleidung zu machen, war das typische Verhalten für einen Mann mit federstreichlerischen Eigenheiten. (Näheres zu federstreichlerischen Eigenheiten siehe unten.)
»Eins würde ich gern klarstellen«, sagte ich ein bisschen schnippisch. »Ich bin nicht verschwunden, ich bin gegangen . Weil Sie nicht mit mir ausgehen wollten, erinnern Sie sich?«
»Ich wollte sehr wohl. Ich wollte Sie von dem Moment, als Sie mit mir zusammengestoßen sind, ich wusste nur nicht, ob ich Sie haben konnte.«
»Entschuldigung, Sie sind mit mir zusammengestoßen. Wie, Sie wussten es nicht?«
»Ich wusste es einfach nicht.«
Ich sah kein bisschen klarer. Lass es einfach. Wenigstens zunächst.
Zwei Blocks weiter fanden wir eine seltsame Kellerbar mit roten Wänden und einem Poolbillardtisch. Dunst aus einer Nebelmaschine wirbelte uns um die Beine – der Barkeeper erklärte, dass er die glorreichen Zeiten vor dem Rauchverbot aufleben lassen wollte – und Aidan bat mich, ihm von meinem Leben als Assistentin des Zauberers zu erzählen.
»Wir nennen uns Marvellous Marvo und Gizelda.
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