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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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    Thema: Ich bin zurück

    Lieber Aidan,
    es kommt mir komisch vor, dass ich so an dich schreibe. Ich glaube nicht, dass ich dir schon einmal einen richtigen Brief geschrieben habe. Hunderte kurzer Mails, ja, um zu besprechen, wer das Essen besorgen würde und wann wir uns treffen würden und solche Sachen, aber nie so etwas.
    Ich bin wieder in unserer Wohnung, aber das weißt du vielleicht schon. Rachel und Jacqui waren auch hier – Jacqui hat von einem Kunden zwei Goldzähne geschenkt bekommen –, und wir haben Pizza von Andretti gegessen. Sie haben den Salat vergessen, wie immer, aber sie haben uns eine Extradose Dr. Pepper spendiert.
    Bitte, es soll dir gut gehen, und bitte habe keine Angst, bitte komm zu mir oder melde dich, ich liebe dich.
    Anna

    Ich las noch einmal, was ich geschrieben hatte. Es klang nicht zu ernst, oder? Ich wollte nicht, dass er merkte, wie besorgt ich war, denn was immer er durchmachte, war sicherlich schon schwierig genug, ohne dass ich es noch schlimmer machte.
    Mit dem Zeigefinger drückte ich entschieden auf die Taste zum Abschicken, und ein stechender Schmerz von meinem nachwachsenden Fingernagel schoss mir in den Arm. Himmel, ich müsste mich zurückhalten mit großartigen Gesten bei den zwei verletzten Fingern. Mir war einen Moment lang übel von dem Schmerz, und dadurch war ich von den Gefühlen, die mich überfluteten, abgelenkt. Irgendwie Zorn oder Traurigkeit, dass ich Aidan nicht beschützen konnte, aber es war schon verflogen, bevor ich es richtig empfand.
    Im Schlafzimmer lag Dogly auf Aidans Seite, der Spielzeughund, den er von klein auf besessen hatte. Er hatte lange, herabhängende Ohren, einen schmachtenden Blick, einen begierigen, bewundernden Ausdruck, und sein karamellbraunes Fell war so dicht, dass es eher wie ein Schafspelz anmutete. Er stand nicht mehr in der ersten Blüte seiner Jugend – Aidan war schließlich schon fünfunddreißig –, war aber in keinem schlechten Zustand für sein Alter. »Er hat eine Verjüngungskur hinter sich«, sagte Aidan einmal. »Um die Augen ist er geliftet, der Schwanz musste mit Collagen gestrafft werden, und um die Ohren wurde ihm Fett abgesaugt.«
    »Na, Dogly«, sagte ich zu ihm. »Das ist ja eine schöne Bescherung.«
    Ich musste noch meinen letzten Schub Pillen nehmen, und zum ersten Mal war ich froh über die stimmungsverändernden Sachen – die Antidepressiva, die Schmerzmittel und die Schlaftabletten. Die Rückkehr nach New York war schwieriger, als ich mir vorgestellt hatte, und ich brauchte alle Hilfe, die ich bekommen konnte.
    Doch obwohl ich bis obenhin abgefüllt war mit dämpfenden Mitteln, wollte ich nicht ins Bett gehen. Da fiel mein Blick auf sein graues Sweatshirt auf dem Stuhl, als hätte er es gerade ausgezogen und dort hingelegt, und ein elektrischer Schlag durchzuckte mich. Ich nahm es in die Hand und roch daran; sein Geruch war noch so stark, dass mir schwindlig wurde.
    Es war nicht der besonders liebliche Geruch von seinem Nacken, noch der seiner Lendengegend, wo er stärker war, süßer und wilder, aber er reichte, dass ich ins Bett gehen konnte. Ich schloss die Augen, und die Tabletten zogen mich langsam in den Schlaf, doch in dem halbwachen Zustand vor dem Vergessen öffnete sich ein schrecklicher Spalt, und ich sah das ganze Ausmaß dessen, was geschehen war. Ich war wieder in New York, er war nicht da, und ich war allein.

SIEBZEHN
    Ich schlief tief und traumlos, was wahrscheinlich an den Pillen lag. Ich erwachte und durchlief dabei mehrere Bewusstseinsschichten. Es war wie das Aufsteigen beim Tauchen: Ich verharrte in jeder so lange, bis ich für die nächste bereit war, um die emotionalen Verwerfungen, die entstehen, wenn man zu plötzlich und zu heftig die Oberfläche des Schlafs durchstößt, zu vermeiden.
    Als Erstes schaltete ich meinen Computer ein und rief meine Mails ab in der Hoffnung, eine Antwort von ihm zu finden. Auf der Anzeige stand, dass fünf Mails angekommen seien – ich hielt den Atem an, und mein Herz klopfte in wilder Erwartung. Die erste enthielt ein Angebot für Karten für ein Justin-Timberlake-Konzert. Dann eine von Leon, der sagte, er habe gehört, ich sei zurück, und ich möchte ihn anrufen, eine von Claire mit guten Wünschen, eine mit dem Angebot, meinen Penis zu vergrößern, und am Schluss ein gestoppter Virus. Nichts von Aidan, nada.
    Ich war ganz niedergeschlagen und stellte mich unter die Dusche, bis ich entsetzt feststellte, dass ich kaum

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