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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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starben, war ich zu jung gewesen, um mich zu fragen, ob sie wirklich in den Himmel gekommen waren (oder in die Hölle – Granny Maguire war auf jeden Fall eine Kandidatin dafür). Jetzt war ich gezwungen, über ein Leben nach dem Tod nachzudenken, und das Fehlen jeder Gewissheit war beängstigend.
    Als Teenager hatte ich mich nach einer Verbindung zu einem höheren Wesen gesehnt. Nicht zu dem katholischen Gott, mit dem ich aufgewachsen war, weil das einfach zu langweilig war, das konnte ja jeder haben (jeder, der Ire war). Aber der undefinierbare Allzweckgott mit seinen Traumfängern, Chakren und Fransenröcken übte eine magische Anziehung auf mich aus. Besonders, weil man Neues hinzufügen konnte: Reiki, Kristalle, Guarana – die Liste war endlos, Hauptsache es war »spirituell«, dann gab es endlose Möglichkeiten. Zufälle und alles, was nur im Entferntesten gespenstisch war, faszinierte mich. Ich brachte mir Tarot bei und konnte es ganz gut. Zuerst dachte ich, das sei ein Beweis dafür, dass ich seherische Fähigkeiten hatte, aber rückblickend glaube ich, es lag daran, dass ich die Anweisungen genau gelesen und gelernt hatte, was die Symbole bedeuteten, außerdem lassen die meisten Menschen sich nur dann die Karten legen, wenn sie auf der Suche nach einem neuen Liebespartner sind.
    Ich hatte die Tarotkarten vor ein paar Jahren aufgegeben, aber ich hatte nicht aufgehört, an ein unbestimmtes »Etwas« zu glauben. Wenn ich das, was ich wollte, nicht bekam – eine Stelle, einen Bus, ein Paar Jeans in meiner Größe –, sagte ich gern, »es hat nicht sein sollen«, als gäbe es einen Gott, eine Art Puppenspieler, der für uns alle einen Handlungsablauf parat hat. Einen, dem es wichtig war, was wir anhatten.
    Aber jetzt, da ich mit dem Rücken zur Wand stand, da es wirklich wichtig war, wurde mir klar, dass ich nicht wusste, was ich glaubte. Ich glaubte nicht, dass Aidan im Himmel war. Ich glaubte nicht an einen Himmel. Ich glaubte auch nicht an einen Gott. Aber ich glaubte auch nicht nicht an einen Gott. Ich konnte mich an nichts festhalten.
    Ich zog mich für die Arbeit an, wählte die Nummer seines Handys, wie jeden Morgen, und dann schrie ich plötzlich frustriert in den leeren Raum: »Wo bist du? Wo bist du? Wo bist du? «

ZWEI
    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Thema: »Groß«!

    Liebe Anna,
    ich hoffe, es geht dir gut. Hör zu, hier ist die Hölle los mit der alten Frau und ihrem Hund. Seit wir von der Algarve zurück sind, hatten wir sie weder gehört noch gesehen, und so dachten wir schon, wir hätten sie abgeschüttelt. Aber es sieht so aus, als hätte sie sich nur »neu formiert«. Heute Morgen war sie wieder da, »volle Kraft«. Sie kam früh, und ihr Hund hat »Groß« gemacht. Dein Vater ist reingetreten, als er zum Zeitungholen ging, und du weißt ja, dass er sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt, aber das hat ihn aus der Ruhe gebracht. Er sagt, dass wir das »ausloten« werden. Dazu brauchen wir Helen und ihr »Können«. Zum Glück ärgert sie sich auch über die Frau und sagt, sie macht es umsonst. Sie sagt, wenn ein Hund ans Tor pinkelt, ist das eine Sache, aber Hundedreck ist etwas anderes.
    Deine dich liebende Mutter
    Mum
    PS Was kann es bedeuten? Du weißt ja, dass ich keine Feinde habe. Kann es mit Helen zu tun haben?
    PPS Wir sind nach den Ferien etwas niedergedrückt, besonders da sich der Sonnenbrand deines Vaters entzündet hat, und jetzt noch das »Hundegeschäft«, das macht uns zu schaffen. Versteh mich nicht falsch, aber ich hoffe, du hast deinen »Abschluss« noch nicht, weil es nicht sehr sinnvoll wäre, wenn du hierher kämst, denn wir können uns kaum selbst aufheitern, und schon gar nicht jemanden in deiner Lage.

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Thema: Verbrannter Vater

    Eltern sind von der Algarve zurück. Vater mit schwerem Sonnenbrand. Sieht aus wie ein Krebs. Sehr, sehr komisch.

DREI
    Die stechenden, stromstoßartigen Schmerzen weckten mich um die übliche Zeit – ungefähr um fünf Uhr morgens. Ich warf automatisch ein paar Schmerztabletten ein und lag ganz still da, ich machte die Augen fest zu und versuchte mir einzubilden, dass ich neben Aidan im Bett lag. Ich muss bloß meine Hand ausstrecken, dann kann ich dich berühren. Und du bist warm und verschlafen und halbsteif, und du schlingst deine Arme und Beine um mich, ohne richtig aufzuwachen. Meine Fantasievorstellung war so genau und überzeugend,

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