Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
›der Leser‹, einen Autor tatsächlich dafür bezahlt, daß er über Ereignisse lügt, die niemals Leuten passiert sind, die es nie gegeben hat.
    »Sind denn alle eure Maori-Geschichten wahr?« hatte Stan wütend zurückgefragt.
    »Auf ihre Weise, ja. Wir nichtwestlichen Völker haben nie diese künstliche Unterscheidung getroffen zwischen real und eingebildet… zwischen ›objektiv‹ und ›subjektiv‹. Wir müssen nicht der Ungläubigkeit entraten, um unsere Legenden anzuhören und zu akzeptieren…«
    »Oder um vor dem Frühstück unmögliche Weltanschauungen anzuerkennen! So kommt ihr Maoris zu der Behauptung, daß eure Vorfahren nie gelogen hätten. Wie konnte jemand lügen, wenn sie imstande waren, zwei gegensätzliche Dinge gleichzeitig zu glauben?«
    »Wirfst du mir Inkonsequenz vor, weißer Bursche?«
    »Dir? Einem Mann mit fünfzig technischen Patenten in Geophysik, der immer noch Pele opfert? Nie!«
    Die Diskussion endete unvermeidlicherweise damit, daß sie sich anbrüllten, die Nasen in einem Abstand von einem halben Meter… und dann in Lachsalven ausbrachen, bis sich einer so weit erholt hatte, daß er die nächste Lage bestellen konnte.
    All right, mußte George sich gestehen, als er längs des polierten Steins eines unterirdischen Flußlaufs nach einer schmalen Leiste tastete. Es ist leicht, bezüglich der Lügen anderer scheinheilig zu sein. Aber es ist eine ganz andere Sache, wenn man merkt, daß man selbst gezwungen ist, entweder zu täuschen oder des Verlustes von allem, was man liebt, gewärtig zu sein.
    Er nahm Abstand von der Gesteinsfläche, schickte den Strahl seines Helmscheinwerfers nach vorn und sah, daß das Schlimmste vorüber war. Noch ein paar wacklige Schritte, und er würde auf etwas springen können, das vage wie ein Gehweg aussah, mit genügend Kopffreiheit, um zu stehen, anstatt wie ein Gnom in einem Labyrinth sich zu ducken.
    Er nahm die Traverse schnell und landete geschickt, die Hände zur Balance weit vorgestreckt. Dann stellte George die Lampe ein und spähte eine enge Röhre aus von Wasser geglättetem Kalkstein hinauf, wo ein scharfer Keil den gewundenen Kanal teilte. Eine Passage streute seinen Lichtstrahl zwischen sich verjüngende glitzernde Säulen, wo mineralreiches Sickerwasser Bögen geformt hatte, die an den Kalifenpalast von Cordoba erinnerten. Bei seiner Reise nach draußen hatte er diese Galerie nicht bemerkt. Jetzt machte er eine Pause, um die Öffnung auf seiner Taschentafel zu skizzieren.
    Natürlich wäre es üblich gewesen, diese Karte zu veröffentlichen. Das würde Geld und Ansehen bringen. Aber das Netz würde nie dies Ergebnis bekommen, hatte er gelobt.
    Wie rechtfertigst du eine Lüge? fragte sich George, als er vorsichtig den Rückweg antrat, so wie er gekommen war. Vor einer Dekade, als er zuerst diese ungeheuren Höhlen unter dem Gebirge von Neuguinea entdeckte, hatte er sich entschlossen, seinen Klienten nichts davon zu verraten. War es Diebstahl, dieses Wunder für sich zu behalten? Vielleicht. Aber schlimmer als Diebstahl war die Lüge als solche.
    Vor dem Frühstück an sechs unmögliche oder widersprüchliche Dinge zu glauben… Ja, Stan. Und ein unmögliches Ding, an das ich glaubte, war, daß ich diesen Ort retten könnte.
    Er mußte sich mit dem Kopf voran durch die nächste Öffnung zwängen und glitt einen Schacht hinab in eine funkelnde Miniaturkapelle. Knorrige Kalzitwucherungen bedeckten nicht nur die Wände, sondern auch den Boden und fingen das Lampenlicht in blendenden Kristallreflexen. ›Höhlenkoralle‹ nannte man das… ein recht gewöhnliches Phänomen, seit die Menschen angefangen hatten, die Tiefen von Höhlen auf geheime Schätze der Erde zu durchsuchen. Jetzt war die Koralle aus fast jeder bekannten Höhle der Erde verschwunden, Stück für Stück von Souvenirjägern geplündert – von denen jeder dachte, daß gerade ein Fragment mehr nicht vermißt werden würde.
    George ging wieder durch die kleine Kathedrale und suchte die genauen Fußabdrücke, die er bei der Reise nach außen gemacht hatte – winzige Brüche und Flecken zwischen den Glasscherben. Er versuchte, in sie hineinzusteigen; aber es war auch nicht möglich, einen kleinen zusätzlichen und diesmal harmlosen Schaden zu vermeiden.
    »Die Welt besteht aus Kompromissen«, schien er Stan Goldman sagen zu hören, obwohl sein Freund im Moment weit entfernt war und inmitten der Eiswüsten von Grönland seinen dazu Teil beitrug. »Du mußt schachern und mit den

Weitere Kostenlose Bücher