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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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als von hier ungefähr durch den Mittelpunkt des Globus eine Gerade zu ziehen…
    … durch das teuflische Ding da unten…
    Jen erschauerte. Sie war mit mathematischen Modellen durchaus bewandert. Aber nach nur zwei Seiten in einem von Alexens Aufsätzen hatte sie sich völlig verloren in einem Labyrinth irrealer Gespinste, die sie schwindlig machten. Sie konnte immer noch kein Bild ihres Feindes gewinnen. Verschwindend klein, titanisch schwer, unendlich verwickelt – war es die Essenz von Tödlichkeit. Und von Kindheit an hatte Jen immer am meisten diese Gefahren ohne Gesichter gefürchtet.
    »Fünf Minuten, Dr. Wolling«, sagte ein Techniker und blickte von seiner Station auf. »Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen?« Sein freundliches Gesicht bildete einen Kontrast zu Kendas mürrischer Haltung.
    »Danke, Jimmy! Nein, ich denke, ich mache mich jetzt besser fertig.« Er zuckte die Achseln und gesellte sich zu den anderen, die auf Video- und Holobilder starrten, während ihre Hände Kontrollknöpfe hielten oder in ihre Telepräsenz-Handschuhe für Fernmanipulation schlüpften. Jen ging an ihnen allen vorbei zu dem Geräteplatz in der Ecke, der für sie vorgesehen war und wo man ihr widerwillig gestattet hatte, ihr Subvokal zu benutzen. Sie legte den Apparat an und ließ sich von holographischen Darstellungen umrunden.
    Sie hustete, gähnte, räusperte sich, schluckte – löste Wellen von Farbe aus, als die Einheit alle unfreiwilligen Bewegungen auszugleichen suchte. Bei ihrem Computer zu Hause war der Klärungsprozeß schnell und automatisch. Hier, all der individuell angefertigten Dinge bar, die ihr Terminal zu einem Alter ego machten, mußte sie es jedesmal frisch tun.
     
    … und ein Tiger sauste auf sie zu, brüllte, und dann
    zog er sich rasch in den Hintergrund zurück…
    … Funken spritzten und hüpften
    … Worte funkelnd mit Bildern…
    Selbst das winzigste Signal ihres Kiefers oder Kehlkopfes konnte als Befehl gedeutet werden. Sie hielt eine Hand am Knopf für Empfindlichkeit und konzentrierte sich darauf, Fehler auszumerzen, die die Maschine als aufkommende Worte verstehen könnte.
    Nur wenige Leute benutzten subvokale Geräte – aus dem gleichen Grunde, warum nur wenige Straßenjongleure wurden. Nicht viele konnten mit den delikaten Systemen umgehen, ohne in ein Chaos zu tappen. Jeder normale Geist kam ständig mit scheinbaren Unwichtigkeiten dazwischen, von denen viele das Niveau gemurmelter oder halb ausgesprochener Worte erreichten, von denen das äußere Bewußtsein kaum Notiz nahm, die der Apparat aber in Bild und Ton ausdrückte.
    Melodien, die dir plötzlich in den Kopf kommen… Lose Assoziationen, die du im allgemeinen ignorierst… Erinnerungen, die aufblinken und entschwinden… Impulse zu handeln… die oft hochkommen und den Kehlkopf, die Zunge reizen, erst knapp vor dem Ton anhalten…
    Während sie jedes dieser Worte dachte, erschienen rechts Textzeilen, als ob ein Stenograph von ihren subvokalen Gedanken ein Diktat empfänge. Inzwischen schuf am rechten Rande eine Subroutine für Extrapolation kleine Simulationen. Ein kleiner Mann mit einer Geige. Ein Gesicht, das lachte und ein Auge schloß… Dieser Apparat las nur die äußerste oberflächliche Nerventätigkeit, in Verbindung mit den Sprachzentren.
    Als man das Subvokalgerät erfunden hatte, war es als eine Wohltat für Piloten begrüßt worden – bis sich immer mehr Hochleistungsjets in den Boden bohrten. Wir erleben zehntausend Impulse für einen jeden, dem wir gestatten Aktion zu werden. Die Beschleunigung von Auswahl- und Denkprozeß hat nicht nur die Reaktionszeit beschleunigt. Sie hat auch Kurzschlußurteile aufkommen lassen.
    Selbst für Computereingaben war das Gerät für die meisten Leute zu empfindlich. Nur wenigen war an Extrageschwindigkeit gelegen, wenn dies bedeutete, die leichteste unterschwellige Reaktion würde erschreckend real werden – bei verstärktem Sprechen oder Schreiben.
    Falls wir jemals eine echte Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer entwickeln sollten, dann wäre das Chaos noch schlimmer.
    Aber Jen besaß zwei Vorzüge gegenüber normalen Menschen. Der eine war eine unterdurchschnittliche Angst vor Schwierigkeiten. Und der zweite war ihr inneres Bild ihres Geistes.
    Ungeachtet moderner Beweise glaubten die meisten Menschen nicht wirklich, daß ihre Persönlichkeiten viele Unter-Ichs enthielten. Der Umgang mit vagabundierenden Gedanken war für sie eine Sache der Kontrolle, und nicht wie

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