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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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wie diesen zu betreiben. Nicht ohne menschliche Expertise.
    Oder wo die nicht verfügbar ist, müssen wir blinde Vermutungen einsetzen, he?
    Nelson reagierte auf diese Flut von Beförderungen mit Freude, gemischt mit Irritation.
    Schließlich weiß ich doch gar nichts!
    Gewiß, er schien es sagen zu können, wenn gewisse Tiere zu erkranken drohten oder wenn bei Luft oder Wasser etwas repariert werden mußte. Er hatte eine Fertigkeit, oben angebrachte Filter so einzustellen, daß das Gras richtig wuchs; aber alles, was er hatte, waren Vermutungen. Er besaß Talente, von denen er damals im übervölkerten Yukon nie geträumt hätte. Aber Talent war ein kümmerlicher Ersatz für das Wissen dessen, was man tat!
    Also oblag Nelson seinen Pflichten als verwirrter Hexenmeister. Er zeigte auf Leitungen und befahl ihnen, sich zu öffnen. Er schickte gedrungene Roboter auf Botengänge, rieb und prüfte Blätter… Dabei machte er sich immer Gedanken darüber, daß er diese Gabe nicht verdient hatte. Es war wie ein großer Ulk, den eine launische märchenhafte Großmutter angestellt hatte. Da er nicht wußte, woher es kam, schien es jederzeit widerrufbar zu sein.
    Bei seiner Lektüre stieß er auf einen anderen Ausdruck – ›idiot savant‹ – und empfand eine brennende Scham in dem Verdacht, daß sie auf ihn gemünzt sein könnte.
    Ein menschliches Wesen weiß, was es tut. Welchen Sinn hätte es sonst, menschlich zu sein?
    So ging er seine Runden – nickend und auf den Knopfsspieler in seinem linken Ohr lauschend. Jeden Moment, den er erübrigen konnte, studierte Nelson. Und je mehr er lernte, desto schmerzlicher wurde er sich seiner Unkenntnis bewußt.
    Shig und Nell waren hilfreich. Er brauchte nur auf eine Frucht zu zeigen, und schon kamen sie damit angerannt. Welche genetische Magie hatte bewirkt, daß sie so schnell verstanden?
    Oder vielleicht bin ich es eben. Vielleicht bin ich teilweise ein Affe.
    An diesem Abend waren beide Paviane matt, als er sie mit ungewöhnlicher Intensität die Runden machen ließ. In Nelsons Kopf wirbelten die Gedanken.
    Mit Bildern der Oberschule… den Sportmannschaften und den Gangs… Kooperation und Wettstreit.
    Bilder seiner Eltern, Seite an Seite bei schwerer Arbeit, wie sie sich lange Stunden abmühten, damit ihr Geschäft gedieh… Wettstreit und Kooperation.
    Bilder von Zellen und Körpern, Species und Planeten.
    Kooperation und Wettstreit. Sind die wirklich gleich? Wie kann das sein?
    Manchen erschien der Konflikt inhärent. Man nehme die Ökonomie! Der weiße Immigrant Dr. B’Keli hatte Nelson Texte gegeben, die unternehmerischen Kapitalismus priesen, in dem das Streben nach individuellem Erfolg erfolgreich Güter und Dienste lieferte. ›Die unsichtbare Hand‹ war der vor langer Zeit von Adam Smith, einem Schotten, geprägte Ausdruck.
    Im Gegensatz dazu befürworteten manche noch die ›sichtbare Hand‹ des Sozialismus. Im südlichen Afrika waren Kosmopoliten wie B’Keli selten. Häufiger hörte Nelson, wie man die ›Seelenlosigkeit‹ von auf Geld gegründeten Ökonomien verlachte und paternalistische Gleichheit pries.
    Die Debatte klang unheimlich wie die in der Biologie tobende über das vermeintliche Empfindungsvermögen von Gaia. Manche Agnostiker bezeichneten den vermeintlichen Konstrukteur der Welt als ›blinden Uhrmacher‹. Für sie bedurfte die Schöpfung keines bewußten Einschreitens. Sie war ein Prozeß, in dem Wettstreit das wesentliche Element darstellte.
    Religiöse Gaianer erwiderten wütend, daß ihre Göttin keineswegs blind oder gleichgültig wäre. Sie sprachen von einer Welt, in der zu viele Dinge zu gut vernetzt waren, als daß sie durch etwas anderes als Teamarbeit hätten entstehen können.
    Immer und immer wieder die gleiche Dichotomie. Der Konflikt der Gegensätze. Wie aber, wenn es zwei Seiten der gleichen Münze wären?
    Er hoffte, daß einige von Dr. Wollings Referenzen Antworten bieten würden: Aber gewöhnlich ließ ihn die Lektüre nur mit mehr Fragen zurück. Endlosen Fragen.
    Am Ende verschloß er die letzte verstärkte luftdichte Tür und brachte Shig und Nell heim. Hinter sich ließ er alle die Tiere zurück, welche er halb darum beneidete, daß sie keine komplexen Sorgen hatten. Sie wußten nicht, daß sie in einem zerbrechlichen Rettungsvehikel eingeschlossen waren, das verankert war auf Boden eines leidenden und vielleicht sterbenden Kontinents. Sie wußten nicht von den anderen Archen in dieser Rettungsflottille, die über die Erde

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