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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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auffraß.
    Jeder von uns ist eine Vielheit, erinnerte sie sich. In jedem Menschen tobt eine Kakophonie von Stimmen. Trotz alle neuen Techniken des cerebrochemikalen Ausgleichs und Aussäens von Gesundheit werden diese inneren Selbste fortfahren, von Zeit zu Zeit unfaire Gedanken zu hegen und uns zu häßlichen Dingen zu veranlassen, die wir später bedauern. Das mag nicht nett sein, aber es ist menschlich.
    War es das, was Emerson gesagt hatte? »Eine törichte Konsequenz ist das Schreckgespenst kleiner Geister.« Man könnte sagen, daß sie nach dieser Maxime gelebt hätte. Während sie den Fels vorbeigleiten sah, beschloß Jen, Alex unbedingt eine Ermutigung zukommen zu lassen. Schon ein paar Worte würden ihm in dieser Zeit des Kampfes viel bedeuten. Es irritierte sie, daß sie nur daran dachte, wenn Computer, Tafel oder Telephon gerade nicht in der Nähe waren.
    Dann gibt es auch noch die Sicherheitsmaßnahmen, dachte sie, sich ihrer Überlegungen voll bewußt.
    Dr. Kenda, Leiter des Tangoparu-Teams hier in Kuwenezi, war wirklich fanatisch bei der Verhinderung undichter Stellen. Man hatte Jen gebeten, den Ndebele keinerlei Andeutung über ihren wahren Auftrag zu machen. Sie konnte ihren Gastgebern nur sagen, daß die Aufgabe für die Mutter lebenswichtig wäre. Zum Glück hatte das auch bisher genügt.
    Wird es aber später genügen, wenn die Erde zu beben beginnt?
    Kenda hatte Karten des ganzen Bergwerkskomplexes angefordert. Es gab lästige Besprechungen über Notfallpläne und Fluchtszenarien, über Deichsperren und Wasserführungsdrücke. Jen war der Gedanke unangenehm, daß die Gastfreundschaft der Ndebele mit Verrat vergolten werden könnte.
    Alles zu seiner Zeit, sagte sie sich. Worauf es jetzt ankam, war, daß sie im Terminplan lagen und die pulsierende Kraft ihrer Maschinen mit dem Bündel aller möglichen Kräfte vereinten, die Alex aufgeboten hatte, um die Bestie in der Tiefe, die Singularität, zu fesseln.
    In ihren Gedanken verloren, hatte sie kaum bemerkt, wie die Luft wärmer wurde. Dumpfige üble Gerüche kamen von weiter unten, wo Jahrzehnte von Sickerwasser die nicht ausgepumpten unteren Abschnitte der Mine gefüllt hatten. Der Aufzug hielt glücklicherweise kurz vor diesen Bereichen an. Jen stieß das klappernde Gitter auf und setzte sich in einem Tunnel in Marsch, der durch eine Reihe kleiner Glühbirnen beleuchtet wurde.
    Hier und in anderen ähnlichen Bergwerken hatte die alte weiße Oligarchie den Reichtum eines der reichsten Länder der Welt abgeschöpft. Richtig investiert hätten die Adern von Gold, Kohle und Diamanten für künftige Generationen – weiß und nicht weiß – noch lange gereicht, nachdem die Minerale erschöpft waren. Die meisten jetzigen Kantone klagten die alten Oligarchen nicht wegen Rassismus als solchen an. Schließlich praktizierten sie selbst Stammestrennung. Was sie empörte, war etwas viel Einfacheres: Diebstahl. Und das Vergeuden eines großen Schatzes durch jene, die zu blind waren, um zu begreifen.
    Heute waren die unschuldigen Nachkommen der Diebe traurige Flüchtlinge in fernen Ländern, und die ebenso unschuldigen Kinder der Opfer hatten eine schreckliche Wut geerbt.
    Kondensation glitzerte. Jens Fußtritte hallten in den Nebengängen wider wie leblose flatternde Verwünschungen. Schließlich wurde das Licht vor ihr heller, als sie sich der offenen Kaverne näherte, die Kendas Team ausgesucht hatte. Dort lag unter einer gewölbten Decke die von Neuseeland mitgebrachte Ausrüstung. Und in der Ecke ragte ein blanker Zylinder auf, in Naturgestein verankert.
    Der mürrische japanische Physiker machte ein saures Gesicht, als sie ankam. Offenbar war er wütend über die Position, die sie als Bedingung für ihre Hilfe bei der Erlangung dieses Platzes gefordert hatte… daß sie benachrichtigt würde vor jedem Zuge und als Zeugin dabei sein müßte.
    »Was war bei der letzten Sondierung der Schaden?« fragte sie.
    Kenda zuckte die Achseln. »Einige Beben südöstlich der Inseln von Hawaii. Nicht der Rede wert. Kaum Kommentare im Netz.«
    Natürlich konnte sie ihn nicht nachprüfen. Nicht ohne ihre eigenen Suchprogramme auszuschicken, was unvermeidlich eine Spur hinterlassen würde. So verließ sie sich auf offene Nachrichtenkanäle, welche die Kette kleinerer Störungen rings um den Globus kaum bemerkt zu haben schienen. Natürlich würde am Ende doch jemand ein Muster erkennen. Zum Beispiel lag Hawaii antipodisch zu dieser Stelle. Man hatte weiter nichts zu tun,

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