Erde
festhielt und mit dem Messer stromaufwärts langte. Sie bemühte sich, ihn nicht ins Gesicht oder die Kehle zu stechen, als der unruhige hinterhältige Fluß mit jähen Ergüssen an ihrem Griff zerrte und drehte und ihre Hand in die eine oder andere Richtung zwang.
Er mußte lebendig und noch bei Bewußtsein sein. Oder war es nur ein Reflex, der Alex veranlaßte, eine Hand an ihrem ausgestreckten Arm entlangzuführen und an ihr Ziel zu drängen? Mit einemmal spürte sie durch die Metallklinge straff wie eine Bogensehne die in tödlichem Baß summende Spannung der Schnur.
Jetzt! Stoß nach unten, du Weibsbild. Los!
Mit Willenskraft verlieh Teresa ihrem Arm Stärke. Die Schnur widerstand… und trennte sich dann mit einem scharfen Ruck, der von den engen Wänden widerhallte.
Plötzlich taumelten sie stromabwärts und stießen gegen den Boden und die Decke. Teresa hatte die Wahl, ob sie ihre Brille vor dem zerrenden Wildwasser schützen oder sich das Atemrohr wieder in den Mund stoßen sollte. Sie zog Luft der Sicht vor und packte das Atmungsgerät. Sie quetschte ihre schmerzende Lunge zusammen, als die Hightech-Optik ihr vom Kopf gerissen wurde und alles schwarz wurde.
Die wilde Jagd endete einige chaotische Augenblicke später. Abrupt schien der Boden nach unten zu sinken, als sie in etwas hinausflogen, das sich wie freie Luft anfühlte.
Das frühere tiefe brummende Dröhnen gipfelte jetzt in einem klaren, tosenden Gebrüll. Die Schwerkraft ergriff sie, und der Absturz währte eine maßlose Zeit… und endete in einem Plumps zu Füßen eines lauten Wasserfalls.
Der Teich war tief, kalt und völlig schwarz. Teresa kämpfte sich dahin, wo sie sehnsüchtig die Oberfläche vermutete. Als ihr Kopf endlich wieder freikam, trat sie Wasser, spie ihr Mundstück aus und sog die Süße einer nicht aus Flaschen kommenden Luft ein. Oben war wieder oben, und unten war unten. Für einen Moment machte es nichts aus, daß nichts – nicht einmal das grüne Schimmern von Würmern – ihre Existenz erhellte. Schließlich waren andere Leute erblindet und hatten gelebt. Aber niemand hatte es so lange ohne Luft geschafft.
»Alex!« schrie sie, noch ehe sie bewußt an ihn dachte. Er könnte irgendwo in diesem tintenschwarzen Teich ohnmächtig geworden sein und forttreiben… und sie konnte sich nicht nach ihm umschauen!
Sie schwamm von dem Wasserfall fort, bis das Plätschern und der Gischt hinreichend nachließen, daß sie wieder ihre Gedanken wahrnehmen konnte. »Alex!« rief sie noch einmal. O Gott – wenn sie hier unten allein wäre! Wenn er stürbe, weil sie in Zollbreite vorbeigekommen wäre und ihn knapp verfehlt hätte, ohne es zu merken…
War das ein Geräusch? Sie wirbelte herum. Hatte jemand gehustet? Es klang jedenfalls wie Husten. Sie suchte nach der Quelle.
»Oh…« Weiterer Husten unterbrach die schwache krächzende Stimme. »Hier herüber!«
Sie schlug frustriert auf das Wasser. »Verdammt, ich habe meine Brille verloren!«
Die Strömung schien sie immerhin näher hinzubringen. Das nächste Mal war seine Stimme klarer. »Ah… das müßte…« – er hustete noch einmal – »…müßte es sein, warum ich jetzt Ihr Gesicht sehen kann. Sie sehen übrigens schrecklich aus.«
Alex schien nahe zu sein und sprach weiter, um sie zu leiten. »Gehen Sie ein bißchen nach links… um… und vielen Dank, daß Sie mir das Leben gerettet haben! Ja, das ist es. Es wird hier seichter… noch etwas nach links.«
Teresa fühlte unter den Füßen Sandboden und zog ihren schweren, vor Kälte zitternden Leib aus der anhaftenden schwarzen Nässe. »Hier, diese Richtung«, hörte sie ihn sagen, und eine Hand ergriff ihren Arm. Sie klammerte sich fest daran und stöhnte plötzlich vor einer Erregung, die ihr bis zu diesem Moment nicht bewußt gewesen war. Allerdings hatte die ganze wilde Aktion nicht aufgehört. Eine plötzliche Welle von Algenangst durchfuhr sie, und sie zitterte vor der Furcht einflößenden Finsternis.
»Es ist schon in Ordnung. Für den Moment sind wir sicher.«
Er leitete sie, daß sie sich neben ihm hinsetzte, und schlang die Arme um sie, damit sie sich gemeinsam wärmen konnten. »Sie sind eine eindrucksvolle Person, Captain… hm… Teresa.«
»Meine Freunde…«, sagte sie und hielt den Atem an, als sie ihn fest umklammerte. »Meine Freunde nennen mich manchmal… Rip.«
Sie merkte, daß er lächelte, obwohl sie nicht einmal die Hand sehen konnte, die ihr das strähnige triefende Haar aus den Augen
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