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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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seine Hände vergleichsweise plumpe Dinger waren, die nicht einmal ein Juteseil anständig knoten konnten.
    Die junge Frau schaute zu ihm herüber. Ihr Kopftuch rahmte ein anmutiges ovales Gesicht ein. Crat hätte sogar sein Herz froh darum gegeben, als sie lächelte. Aber er taumelte zurück, als plötzlich ein anderes Gesicht dazwischen kam, ein altes Weib, das ihn in einem fremden Dialekt beschimpfte. Crat drehte sich um und ging eilends weiter, hin zum Turm des Gouverneurs und der Admiralsbrücke – zwei Monolithen, die das Stadtzentrum überragten.
    In einer von Gerüchen geschwängerten Stadt war der überdachte Basar ein besonders penetranter Ort, wo der Fisch im allgemeinen frisch war, aber alles andere aus zweiter Hand stammte, einschließlich der Huren, die von einem herausfordernd geschnitzten Holzbalkon längs der Hinterpartie winkten.
    An der anderen Seite warben entsprechend den verschiedenen Religionen ein Dutzend kleine Tempel, Kirchen und Moscheen um die Gunst von Passanten. Hier war man wenigstens sicher vor dem alles durchdringenden Glauben der Gaia-Verehrung. Die wenigen NoAm-GaKi-Missionare, die im Ozeanstaat zu predigen versucht hatten, waren froh gewesen, mit dem Leben davongekommen zu sein. Die Lektion, die sie heimbrachten war einfach: Es erfordert einen vollen Bauch, ehe ein Mann oder eine Frau einen Pfifferling für etwas ausgibt, das so groß ist wie ein Planet.
    Andere Typen auswärtiger Rekrutierer wurden geduldet. Der Kiosk für Wiederbesiedlungsfonds bot eine dritte Form von Erlösung an, gleichermaßen von Sex und Glauben distanziert. Dort standen Männer, Frauen und ganze Familien Schlange, die endlich genug hatten… die jedes Dokument unterschreiben, jede Operation dulden und jeden Eid schwören würden, nur um den Fuß wieder auf festen Boden zu setzen – sei es Yukon, Jakutien oder Patagonien –, überall, wo es regelmäßige Mahlzeiten und ein Stück echten Bodens zu bearbeiten gab.
    Für den Ozeanstaat war das kein Verrat. Es war ein Sicherheitsventil für die Bevölkerung, das viel weniger aufregend war, als ein anderes, dessen Zeuge Crat während einer trüben Dämmerung bei seinem ersten Aufenthalt in dieser schwimmenden Inselstadt gewesen war.
    Er war an einem Seitenkanal dahingeschlendert und knabberte an einem gebratenen Tintenfisch, den er von seiner knappen Barschaft gekauft hatte, als eine dunkle Gestalt erschien, die verstohlen hinter einer schäbigen Wohnbarke schlich. Wie er bald erkannte, war es eine Frau, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Der Lärm klappernder Töpfe und schreiender Nachbarn überdeckte ihre Schritte, als sie sich dahin begab, wo die Strömung am stärksten war.
    Crat verschwand in einem nahen Schatten und sah, wie sie nach links und rechts schaute. Er erkannte kurz eine Schnur, als sie zwei Gegenstände zusammenband, der eine schwer, der andere in Stoff gewickelt. Crat hatte keine Idee, was da vor sich ging, obwohl er einen leisen Schrei gehört zu haben glaubte.
    Der schwerere Gegenstand klatschte kräftig auf, als er ins Wasser traf und das andere Bündel sofort nach sich zog. Aber er begriff immer noch nicht. Erst als er das müde bleiche Gesicht der Frau sah und sie seufzen hörte, dämmerte es ihm. Als sie davoneilte, erkannte er, was sie getan hatte. Aber er konnte nur in gelähmtem Schweigen dasitzen. Der Appetit war ihm vergangen.
    Er suchte zu verstehen, was sie zu einer solchen Tat getrieben haben könnte. Crat entsann sich, was der alte Professor Jameson über den Ozeanstaat zu sagen pflegte… wie die meisten Familien, die dorthin flohen, aus Gesellschaften kamen, wo alle Entscheidungen von Männern getroffen wurden. Im Prinzip sah Crat darin nichts Unrechtes. Er haßte die arrogante, unabhängige Art, wie Mädchen in nordamerikanischen Schulen beigebracht wurde, sich zu benehmen, immer kritisierend und abschätzend. Crat war es lieber, wie tausend ältere, weisere Kulturen es hielten, ehe westliche Dekadenz Frauen zu etwas gemacht hatte, das man nicht mehr als Frauen ansehen konnte.
    Dennoch verfolgte ihn wochenlang das Gesicht jener verzweifelten jungen Mutter. Die Erinnerung kam ihm über Nacht, und er fühlte sich in seinen Träumen zwischen zwei Impulsen zerrissen – einerseits, sie zu schützen, und andererseits, sie zu erwerben.
    Natürlich wurde weder das eine noch das andere von ihm verlangt. Niemand wollte ihn zum Häuptling machen.
    Im vierten Quadranten des Basars, hinter den Ständen mit Fisch und Fleisch und

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