Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
jetzt lachen nur noch Idioten! Tonne für Tonne gibt sie dem Ozeanstaat – der von uns erwählten Nation – die beste kämpfende Flotte der Welt! Also passen wir uns in dieser Weise und auf manche anderen Arten an. Wir Helvetier finden neue Rollen in der Welt und erfüllen sie mit Stolz und Geschick.«
    Crat merkte, daß sich das Englisch des alten Mannes gebessert hatte. Vielleicht war es die Leidenschaft plötzlicher Erinnerung. Oder vielleicht legte er eine Maske ab.
    »Oh, vor dem Krieg waren wir und unsere Verbündeten arrogant. Mea culpa, müssen wir jetzt zugeben. Und die Geschichte lehrt, daß die Hochmütigen immer stürzen müssen.
    Aber kann das Fallen nicht auch ein Geschenk sein? Was ist Diaspora schließlich anders, als eine Gelegenheit, eine zweite Chance für ein Volk zum Lernen, aus flacher Selbstgenügsamkeit herauszuwachsen und rechtschaffen, tiefgründig und stark zu werden?«
    Schultheiß sah Crat an. »Durch Leid wird ein Volk gehärtet und auf Größe vorbereitet. Meinst du nicht auch, fils? Daß Weisheit durch Leid entsteht?«
    Crat konnte zur Erwiderung nur zwinkern, bewegt, aber nicht wissend, was er sagen sollte. Er war sich eigentlich gar nicht ganz sicher, worüber Peter sprach.
    »Ja«, stimmte der alte Mann sich selbst zu und nickte heftig, mit Schuld und strenger Würde in der Stimme. »Mein Volk ist auserwählt für eine künftige, unbekannte Aufgabe. Dessen bin ich sicher. Eine Aufgabe viel größer, als auf sicheren Berggipfeln zu hocken, hoch und distanziert, und vom Geld anderer Leute ein gutes Leben zu führen.«
    Peter starrte in die Nacht, viel weiter, als Crat selbst glaubte sehen zu können.
    »Die Leute in der Welt werden uns noch brauchen. Merke dir meine Worte! Und wenn dieser Tag kommt, werden wir sie nicht warten lassen.«
     
    Bei Nacht war es nicht mehr gewesen als ein Funkeln von Lichtern, die sanft zu rhythmischen Wellen schaukelten. Aber am Tage wurde die Schiffsstadt lebendig mit Lärm und Handel. Und Gerüchten. Es hieß, daß kein Ort, nicht einmal das Netz, Klatsch so schnell oder unberechenbar verbreitete.
    Crat hatte aber keine Möglichkeit, das meiste Gerede mitzubekommen. Anders als auf den aktiven Schiffen, wo die Disziplin eine gemeinsame Sprache erforderte, waren schwimmende Städte ein Chaos von Sprachen und Dialekten, die geflüstert, gemurmelt und gekläfft wurden. Alle Ozeanstädte waren gleich. Babels im Kleinen, horizontal über den nervösen Ozean ausgebreitet.
    Nächtliche Bodensammler stießen ihre Rufe aus, während sie durch die engen Kanäle zwischen vielstöckigen Hausbooten ruderten und feuchte Abfälle aufnahmen, die ihnen für ein paar abgewertete Piaster herabgelassen wurden. Im Wettstreit, den Gartenschiffen stinkenden Dünger zu liefern, eilten sie regelmäßig durch offene Passagen auf die Gefahr hin, zwischen den schaukelnden, stampfenden Rümpfen zerquetscht zu werden.
    In Meereswasser gewaschene Kleidung hing an geflickten Leinen neben Bannern, die Ideologien, Evangelien und Reklamen in einem Dutzend von Alphabeten verkündeten. Oben auf jedem Distrikt saßen flache Aggregate von Solarzellen, die an breite, flügelartige Sammler von Regenwasser angeschlossen waren, welche alle von kleinen Jungen gewartet wurden, die wie Affen auf den schaukelnden Gestellen herumkletterten. Drachenschnüre erstreckten sich schräg in den Himmel zu Generatoren, die in stratosphärische Höhenwinde eintauchten. Durch diese Mischung von Tricks und Gerät gelang es der Schiffsstadt, ihr Leben zu fristen.
    Crat atmete hungrig die Gerüche von über Seetang gekochten Speisen ein. Die Aromas änderten sich von Stelle zu Stelle. Dennoch hielt er die Hände aus den Taschen heraus. Seine schrumpfende Barschaft könnte für Schmiergelder gebraucht werden, ehe der Tag zu Ende ging.
    Andere Gerüche waren noch schwerer zu ignorieren. Man konnte durch Fenster, die offen gelassen waren, um eine gelegentliche Brise zu erhaschen, Frauen – Mütter, Töchter und Gattinnen – sehen, gekleidet in Kostüme aus Ländern, die nicht mehr existierten, und bisweilen für dieses schwüle Klima viel zu dick angezogen. Crat war klug genug, nicht hinzustarren; denn viele von ihnen hatten eifersüchtiges und stolzes Männervolk. Aber an einer Stelle blieb er dennoch stehen, um zuzusehen, wie die flinken Finger eines Mädchens über einen Webstuhl tanzten und Holoteppiche für den Export herstellten. Das war ein angesehener Beruf, den sie offenbar beherrschte. Crat wußte, daß

Weitere Kostenlose Bücher