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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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zeichnen. Es war das geläufige Szenarium des Unheils, welches das Schicksal darstellte, das Malthus für jede Species vorausgesagt hatte, die sich stärker vermehrt, als ihre Nische verträgt.
    Die Kurve stellte die menschliche Bevölkerung über der Zeit dar. Sie stieg zuerst nur sehr langsam an. Während der ganzen späten Steinzeit – als Stans Vorfahren Feuerstein behauen, Flohstiche gekratzt und Feuer für die endgültige Schreckenswaffe gehalten hatten – gab es nie mehr als fünf Millionen Exemplare des homo sapiens gleichzeitig. Aber das änderte sich mit dem Ackerbau. Die Zahlen der Menschen verdoppelten sich und verdoppelten sich wiederum etwa alle fünfzehnhundert Jahre – ein rascher Anstieg –, bis sie um die Zeit Newtons fünfhundert Millionen erreichten.
    Ein eindrucksvoller Fortschritt, errungen durch Leute, die kaum einen Schimmer davon hatten, was die Naturgesetze waren – geschweige denn Begriffe wie Ökologie oder Psychologie oder Planetengeschichte. Aber dann wurde die Beschleunigung noch größer! Neue Nahrungsmittel, Gesundheitswesen, Emigration… mehr Babies überlebten. Die Menschen vermehrten sich üppig. Die nächste Verdopplung auf eine Milliarde Seelen brauchte nur zweihundert Jahre. Die nächste danach – weniger als ein Jahrhundert. Dann wurden nur zwischen 1950 und 1980 aus zwei Milliarden vier. Und die Kurve wurde immer noch steiler. Stan erinnerte sich an die eleganten symmetrischen Vorhersagen, die Pessimisten in seiner Jugendzeit gemacht hatten. Keine Bevölkerungsschwemme kann auf einer begrenzten Welt für immer andauern. Es muß unvermeidlicherweise ein Zusammenbruch kommen.

    Die Kurve reichte aber nicht bis ins Unendliche. Sie kam zu einem Höhepunkt. Dann kehrte sie um wie eine ausgebrannte Rakete und fiel steil herab. Das große Sterben scheint unser aller Ziel zu sein. Das passiert ja auch immer, wenn Sardinen und Rotwild sich stärker vermehren, als ihre Versorgung mit Nahrung zuläßt.
    Und auch wir hatten kleinere Fälle von Aussterben. Aber bisher sind wir dem großen Tod entronnen. Wirklich?
    Er kratzte eine andere rohe Figur in den Sand, die mit der ersten identisch war, bis sie den Gipfel der Kurve erreichte. Auch da hielt die Bevölkerungszahl an, sank aber nicht ab! Anstatt zu fallen, wandte sich diese Rakete zur Seite.

    Das ist es, was nach ihren Worten passieren kann, wenn man Intelligenz und freien Willen der Formel zufügt. Wir sind doch schließlich keine Rehe oder Sardinen!
    Zwei Graphiken. Zwei Schicksale. Malthusianische Katastrophe und die sogenannte S-Kurve. Auf der einen Seite totaler Zusammenbruch. Und auf der anderen eine Kette von Gnadenfristen… wie sich selbst düngendes Korn, Supraleiter bei Zimmertemperatur und genmanipulierter Wels… das alles kommt gerade rechtzeitig, damit sich die Menschheit durch ein weiteres Jahr durchwursteln kann, indem sie ihren Lebensunterhalt von der einen prächtigen Neuerung bis zur nächsten herausschindet.
    Wir haben gedacht, daß diese zwei die einzigen möglichen Zukunftsperspektiven wären:
    - wenn wir uns als selbstsüchtig und kurzsichtig erweisen – Massensterben;
    -  und wenn wir alle unsere Anstrengungen zusammenraffen, zusammenarbeiten und jeden Geistesblitz in die Tat umsetzen – dann folgt ein sanfter Abfall zu einer Art fadenscheinigen Gleichgewichts.
    Gab es aber nicht auch eine andere Wahl? Eine andere Art sozialer Singularität? Stans Stock schwebte über dem Sand. Wenn jede Generation mehr Bücher besitzt als die ihres Vaters, dann sammeln sich die Bücher nicht arithmetisch oder gar geometrisch an. Wissen wächst exponentiell.
    Stan erinnerte sich, wie er sich mit Alex und George betrunken hatte und den Mangel an neuen Modalitäten beklagte. Jetzt mußte er darüber lachen. »Oh, ich war im Unrecht. Es gibt schon Modalitäten. Mehr, als ich mir je vorgestellt habe.«
    Diese jungen Leute im Lager redeten über die Herstellung gravitativer Transistoren! Das konnte einen Mann veranlassen zu rufen. »Halt! Laßt mich eine Minute nachdenken! Was hat das alles zu bedeuten?«
    Wissen ist nicht auf die Grenzen von Malthus beschränkt. Information braucht keinen Mutterboden zum Wachsen, sondern nur Freiheit. Wenn begierige Geister und Experimente gegeben sind, speist es sich selbst wie eine Kettenreaktion.
    Ein dritter Typ sozialer Singularität wäre dann ein echter Sprung, eine plötzliche unangenehme Verschiebung in einen völlig unbestimmten Zustand – wo Veränderungen sich in Monaten,

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