Erde
Einsamkeit finden, aber jetzt nicht mehr!
Er sah sich schnell um und suchte den Voyeur. Drüben im Süden waren Bürger vieler Altersklassen dabei, ertragreiches Gemüse in schmalen Schrebergärten zu ziehen, die die Stadt Leuten ohne passende Dachgärten zur Verfügung stellte. Detektoren auf Bohnenstangen wachten gegen Plünderer; aber diese Apparate hätten Rolands Alarm nicht auslösen können.
Noch konnten es die Kinder, die mit Visieren und Sonnenbrillen herumliefen und Fangen spielten. Oder die zerlumpten Typen in ihren Zwanzigern und Dreißigern, jenseits des spiegelnden Teichs, die, in safranfarbene Tücher gehüllt, vorgaben zu meditieren, aber niemanden täuschten, da sie Biofeedback-Techniken benutzten, um ihre bodenlose, selbsterregte Stimulation zu speisen… indem sie unter Endorphinen dösten, die ihre Gehirne ausschieden.
Es waren da auch andere Teenager… obwohl niemand die Farben von Banden trug. Also die schweigende Mehrheit – Studenten, die modisch oder bequem gekleidet waren mit wenig im Sinn. Manche trugen sogar pathetische Banner für den abendlichen B-Ball-Contest zwischen den Fighting Golfers und den Letterman High Hecklers.
Dann sah er den Spanner – diesmal ein alter Kauz –, der an dem dünnen Mast eines schattenspendenden Sonnenkollektors mit Fotozellen lehnte und sie drei direkt anblickte. Und ganz deutlich erkannte Remi zwischen den buschigen grauen Locken, die unter dem weißen Sonnenhut hervorquollen, einen dünnen Draht, der von einem Ohrstück zu einem aus irgendeinem sonomagnetischen Gewebe gefertigten Anzug führte.
Die Jungen drehten sich fast im Gleichschritt um und reagierten auf diese neue Provokation, indem sie direkt auf den Spanner zugingen. Als sie näher kamen, erkannte Remi auf der Brust die Ordensschnalle eines Veterans des Helvetischen Krieges mit Spangen für Strahlungsschäden. Mist! dachte er. Veteranen sind die Schlimmsten. Es wäre schwer, gegen diesen hier Punkte zu machen.
Dann sah Remi, daß der Tolpatsch nicht einmal eine Spähbrille trug! Natürlich konnte er mit kleineren Sensoren immer noch senden, wenn er kleinere Sensoren benutzte. Aber das entsprach nicht dem erwarteten Bild, zumal da der Kerl jetzt sogar seine Sonnenbrille absetzte, als sie näher kamen, und richtig lächelte.
»Hallo, Jungs!« sagte er freundlich. »Ich nehme an, ihr habt mich beim Schnüffeln erwischt. Ich schulde euch eine Rechtfertigung.«
Ganz unüblich drang Crat in die persönliche Zone des Burschen ein und schwenkte sogar etwas hinüber, als er seine Schädeltätowierung entblößte. Aber der Mann antwortete nicht in der üblichen Weise, indem er seinen Polizeipiepser zückte. Vielmehr lachte er laut. »Wundervoll! Wißt ihr, ich hatte einen Tischkameraden… Es war ein russischer Kommandosoldat. Starb bei dem Bombenangriff auf Liechtenstein, glaube ich. Er hatte auch eine solche Tätowierung, nur auf dem Hintern! Konnte sie auch tanzen lassen.«
Remit ergriff Crats Arm, als der Idiot herauszusprudeln schien »Wissen Sie, die Benutzung eines langen Ohres ist illegal ohne ein Abzeichen, das den Leuten sagt, daß Sie eines haben. Wir könnten Sie anzeigen, Mensch.«
Der Alte nickte. »Ganz recht. Ich habe eure Privatsphäre verletzt und werde ein Urteil in situ akzeptieren, wenn ihr es wünscht.«
Remi und seine Freunde sahen einander an. Senioren – besonders solche, die im Krieg gelitten hatten – benutzten kaum je das Wort ›Privatsphäre‹ außer als Kraftausdruck, wenn sie jemanden bezichtigten, üble Pläne zu verheimlichen. Remi hatte bestimmt noch nie von einem alten Kerl gehört, der bereit war, einen Disput anzuzetteln, wie es Mitglieder einer Bande tun würden, Mann gegen Mann, fern von dem in alles eindringenden Auge des Netzes.
»Quatsch, Alter! Wir haben dich…«
»Crat!« zischte Roland. Er blickte zu Remi, und der nickte zurück. »All right!« gab er zu. »Rüber zu diesem Baum! Du spielst zu, und wir werden die Sache schaukeln.«
Das bewirkte ein neues Lächeln. »Als ich in eurem Alter war, habe ich diesen Ausdruck benutzt. Habe ihn seither nicht mehr gehört. Wißt ihr, daß Slangausdrücke oft periodisch kommen und gehen?«
Während er noch liebenswürdig über die Eskapaden der Sprechweise seit seiner Zeit plauderte, führte der Alte sie zu ihrem vorgesehenen Gerichtsraum unter freiem Himmel und ließ einen verwirrten Remi hinterhertrotten, der plötzlich betroffen war durch die unverlangte Aufgabe, sich diesen runzligen alten
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