Erde
Übriggebliebenen als Jüngling vorzustellen, ebenso sprudelnd vor Hormonen und Wut wie sie jetzt.
Logischerweise nahm Remi an, daß das möglich sein müßte. Vielleicht erinnerten sich einige Knacker noch mit etwas Wehmut daran, wie das gewesen war. Aber für die jungen Leute hatte es damals nicht so schlimm gewesen sein können, dachte er bitter. Es gab für Burschen wie mich etwas zu tun. Alte Furze kontrollierten nicht alles.
Zum Teufel, man hatte wenigstens einen Krieg zu führen! Nach dem Helvetischen Holocaust reagierte die entsetzte internationale Gemeinschaft endlich, um alle künftigen großen Kriege zu verhindern, und machte mit den Inspektionsabkommen ernst. Aber für Remi schien das keine echte Lösung zu sein. Die Welt ging ohnehin zum Teufel, ohne Umschweife. Warum sollte man es dann nicht auf eine Weise machen, die wenigstens ehrenvoll und interessant war?
Geh nicht sanft in diese gute Nacht… Die Lektionen über Poesie waren so ziemlich das einzige, was Remi wirklich mochte. O ja. Damals im zwanzigsten Jahrhundert gab es einige Burschen, bei denen das stimmte.
Von einer Wiese aus konnten sie einen großen Teil der Innenstadt von Bloomington überblicken, eine Silhouette, die noch durch erhaltene Türme aus dem zwanzigsten Jahrhundert beherrscht war, obwohl einige neuere, scheibenförmige ’topias wie Skihänge nach Norden geneigt waren. Von irgendwoher jenseits der Grenzen des Parks konnte man den allgegenwärtigen Ton von Preßlufthämmern hören, indem die Stadt ihren endlosen, nicht zu gewinnenden Krieg gegen Verfall führte und brüchige Gehsteige und Abflußrohre renovierte, die eigentlich hundert Jahre hatten halten sollen… vor mehr als einem Jahrhundert, wo dieser Zeitraum wie ewig geklungen haben mußte. Bloomington sah aus und wirkte heruntergekommen wie fast jede Stadt irgendwo.
»Ich liebe es, Leuten zuzuhören und sie zu beobachten«, erklärte der alte Kauz, wie er mit gekreuzten Beinen vor ihnen saß und eine erstaunliche Geschmeidigkeit offenbarte.
»Na und?« Roland zuckte die Achseln. »Ihr Senioren horcht und spannt alle. Die ganze Zeit.«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Nein, sie starren und zeichnen auf. Das ist etwas anderes. Sie wurden in einer narzißtischen Zeit erzogen und dachten, sie würden ewig leben. Jetzt kompensieren sie den Verfall ihrer Körper durch Einschüchterung der Jugend.
Oh, es begann als eine Methode zur Bekämpfung von Straßenkriminalität. Ruheständler versahen die Straßen mit Videokameras und rohen Piepsern. Und diese Seniorenposse funktionierte wirklich so weit, daß Übeltäter in der Öffentlichkeit nichts mehr stehlen oder jemanden verletzen konnten, ohne auf Videoband erwischt zu werden.
Aber nachdem die Verbrechensrate sank, hat das dem Wahnsinn Einhalt geboten?« Er schüttelte seinen grauen Kopf. »Ihr seht, alles ist relativ. So funktioniert nun einmal die menschliche Psyche. Heutzutage bilden Senioren – ihr nennt sie Knacker – sich Bedrohungen ein, wo es keine mehr gibt. Seht ihr, es wird zu einer Tradition. Sie sind so eifrig damit beschäftigt, vor möglichen Scherereien zu warnen und Drohungen herauszufordern, ehe sie sich materialisieren, und junge Leute wie euch zu reizen…«
Roland unterbrach ihn: »He, das kriegen wir alles in Clubs. Was ist Ihr Punkt?«
Der alte Mann zuckte die Achseln: »Vielleicht fühlen sie sich nützlich, indem sie vorgeben, daß noch ein Bedürfnis für nachbarschaftliche Wachen besteht. Ich hörte einmal den Spruch… Alte Knacker finden ihre eigenen Anwendungen für Technologie.«
Remi murmelte: »Ich wünschte, daß niemand je diesen technischen Mist erfunden hätte.«
Der Kriegsveteran schüttelte den Kopf. »Die Welt wäre tot schon jetzt, mein junger Freund, wenn es den technischen Kram nicht gäbe. Wollt ihr auf den Bauernhof zurück? Zehn Milliarden Menschen wieder allein von Ackerbau leben lassen? Die Ernährung der Welt ist jetzt ein Job für trainierte Experten, mein Junge. Ihr verhunzt die Dinge noch schlimmer, als sie schon sind.
Technik hat schließlich auch die übelsten Probleme der Städte gelöst – Gewalttätigkeit und Langeweile. Sie verhilft den Leuten zu irrsinnig vielen recht harmlosen Hobbies…«
»Ja, und sie hilft ihnen auch, einander auszuspionieren! Das ist doch eines der größten Hobbies, nicht wahr? Klatsch und Schnüffelei!«
Der Alte zuckte wieder die Achseln. »Ihr würdet euch vielleicht nicht so sehr beklagen, wenn ihr in der Alternative leben
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