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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Mein Blick steigt höher und höher, hinter der Fassade beginnt bereits das Dach. Links und rechts der Eingänge endet in weiteren Türmchen, Spitzen und vielen filigranen Schmuckornamenten das Strebewerk – ein Sandsteingerippe, das die schweren Mauern an ihrem Platz hält. Längs ausgerichtete Mauervorsprünge verstärken den Eindruck des nach oben Strebenden. Die Architektur zieht meinen Blick weiter und weiter über die kleinen Türmchen am Ende der Spitzbögen zum Rand des steilen Daches. 12000 Quadratmeter Bleiplatten, die mit einem effektiven Regenwasserableitungssystem verbunden sind. Es stammt noch aus der originalen mittelalterlichen Konstruktion. Eine Meisterleistung. Rechts sehe ich einen Teil der inzwischen wieder kompletten Domfenster in ihren schmalen Spitzgiebelfassungen. Innen eine unglaubliche Pracht, sind sie von außen recht unauffällig und unscheinbar.
    Mein Blick wandert nach rechts oben und bleibt am Nordturm hängen. Seine Dachkonstruktion wirkt wie ein mit Wäschestärke behandeltes und zum Kegel geformtes Deckchen aus lichtdurchlässiger Brüsseler Spitze. Nur eben aus Stein und riesig. Der Dom fängt mit dieser Spitze einen Sonnenstrahl für mich ein und sendet ihn zu mir.
    »Hallo! Ich freue mich auch, dich zu sehen«, lächele ich.
    Auf der Freitreppe sehe ich in zufriedene Gesichter. Die Menschen räkeln sich auf den Stufen. Ich berühre eine davon. Der Stein ist wirklich eiskalt.
    Es hibbelt schon wieder. Diesmal etwas stärker. Ich sehe mich um. Niemand wundert sich. Der leichte rötliche Hauch war doch eben noch nicht auf dem Sandstein, oder? Und wieder ein Kichern. Ein dunkles Kichern. Sehr leise, aber deutlich zu hören.
    Ginge ich jetzt einfach geradeaus, stünde ich direkt im Seitenschiff, aber ich brauche meine Zeremonie, wenn ich den Dom besuche. Einen ganz bestimmten Weg, unabkürzbar. Also wende ich mich nach links und gehe zum hinteren Teil des Doms, dem Chorpolygon. Dort findet sich ein winziger Friedhof nur für die Domherren. Außerdem liegen ein paar alte, ersetzte Domspitzen vor den Mauern. Wie passend. Die kleine Anlage ist sehr gepflegt, mit sattem grünem Rasen, schmalen Wegen und flachen Grabsteinen. Rechts liegt das Museum Ludwig mit seinen charakteristischen Dächern, die wie langgezogene Kreissegmente wirken. Mein Weg führt mich um das Chorpolygon herum, zwischen Dombauhütte und Römisch-Germanischem Museum. In der Grundschule sagte ich immer, ich würde später mal in der Dombauhütte als Steinmetz arbeiten. Bis ich in Kunst eine Fünf bekam. Motoren stehen mir wohl doch näher als Meißel. Mein Blick steigt erneut nach oben zu verwitterten Figuren und frisch ausgewechselten Wasserspeiern. Ein langes Spitzenornament löst sich wie eine Liane von einer Strebe und lotst mich zu einer Stelle auf dem Roncalli-Platz an der Südseite. Ich bleibe einen Moment stehen. Nur wenige Menschen sind hier. Ein einzelner Skateboardfahrer rattert über den Asphalt. Langsam, als wisse sogar er, dass der Dom keine Hektik mag.
    Die steinerne Spitzenornamentliane gibt ein Zeichen, und die Sonne verjagt eine Wolke. Der Dom zeigt sich mir von seiner schönsten Seite. Er darf eitel sein. 786 Jahre sind seit dem Entschluss, ihn zu bauen, vergangen. Dazwischen 300 Jahre Baupause. 70 Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg. Und am Nordturm stehen noch immer zwei große Gerüste. Der Kölner hält an mindestens einem Glauben fest: »Es dä Dom ens fäädig, geiht de Welt unger.«
    Es schnippt. Ich sehe genauer hin. Der Dom erwartet Aufmerksamkeit. Er zeigt mir alle neuen Stellen, die seit meinem letzten Besuch hinzugekommen sind. Man erkennt sie kaum, denn auch die ganze Südseite ist heller, als ich sie in Erinnerung habe. Das Gemäuer strahlt im Sonnenlicht. Der Dom erzählt mir, dass letzten Monat der alte Klöppel vom »Dicken Pitter« weggebracht wurde, der riesigen Hauptglocke des Domgeläuts. Man hat dem Pitter versprochen, bis Ende des Jahres hätte er einen neuen Klöppel.
    »Soll ich dir für die Übergangszeit eine Kopie von meiner CD machen?«, frage ich und zwinkere dem Dom zu. Als gute Kölnerin besitze ich das Läuten der Kathedrale natürlich auf Konserve. Der Dom lächelt und verneint. Er kennt seinen Pitter. Der Klang steckt in jedem Molekül seines Gemäuers.
    Es hibbelt schon wieder. Der Dom ist aufgeregt. Er will, dass ich endlich hereinkomme.
    Als ich durch die Vordertür den Hauptraum betrete, schickt er mir zur Einstimmung einen Hauch Weihrauch entgegen und lässt

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