Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Lis.
»Es ald ens versproche woode«, wiegelt der Pils-Mann ab. Feinstaubplaketten und gute Spieler beim FC sind ja auch wichtiger.
»Evvens! Dat kann doch nit sin, dat mer all en uns Freizigg nor üvver dä Papiere klevve. Dat weed luuter vertrackter«, beschwert sich Lis noch mal eingehender.
Meine Augen werden immer größer. Was soll das denn hier? Es geht doch nur um die Neusser Straße?! Die Forderungen sind ja alle gut, aber es kommen immer mehr.
»Ich ben gege dä Kreege. De müsse sich all nor mir nix, dir nix verdrage. De USA un Russland un China. Un de Israelis met de Palästinensere. Wat soll dat üvverhaup, et hät noch immer god gegange.« Aha, der Pils-Mann will auch noch was Substantielles von sich geben. Ein Kriegsgegner. Originell.
»Ich bin gegen Altersarmut bei Künstlern und will eine angemessene Rente!« Das konnte nur von Rick kommen.
Da sind doch zwischen den Kopfhaaren des Interviewers kleine Hörnchen. Ich sehe sie ganz genau.
Die anderen Gäste sind immer ruhiger geworden und hören mit roten Wangen zu. Der Stammtisch formuliert Schlag auf Schlag weitere Forderungen. Alle grundsätzlich vernünftig, aber zu einer Bürgerinitiative gegen Straßenausbau passen sie so gut wie eine Ameisenkolonie in einem Amaranthschokopudding. Der Interviewer greift nicht ein. Im Gegenteil. Sobald einer schweigt, hält er einem anderen das Mikro unter die Nase.
Als ich mich umdrehe, sehe ich Udo hinter mir. Ich fasse ihn am Arm und ziehe ihn aus der Kneipe.
»Was war das denn?« Udo ist ebenso verblüfft wie ich.
»Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht. Ich halte mich da raus. Das kann doch nur in die Hose gehen.«
»Ach, das wird doch noch geschnitten. Und dann kommt es einmal ins Vorabendprogramm, und der Drops ist gelutscht. Das war doch noch nicht mal der WDR.«
»Eben! Das war RTL! Die verbraten doch alles gleich mehrfach.«
»Mal sehen. Und jetzt gehen wir ins Städtchen?«
»Nein, Udo. Wir hatten einen Deal für ein Mittagessen. Auch wenn es jetzt schon später ist, heißt das nicht, dass wir daraus eine heiße Nacht machen.«
»Och …«
»Ich kann auch direkt wieder nach oben gehen, und du kriegst in einer Viertelstunde das Aquarium zurück!«
»Ich klettere über den Balkon und stelle es wieder rein. Dann bin ich der Einzige, der in Köln mit vollen Händen einbricht, um mit leeren wieder zu gehen.«
»Udooo …«
»Nein, nein, ist schon gut. Also, wo möchtest du hin?«
Ich gebe mich geschlagen. »Zollgrenze.«
»Zur Konkurrenz?«
»Meine Mutter hat da auch schon gegessen. Die sieht das nicht so eng. Außerdem kommen all die Leute, die sich die Pferderennbahn und danach die alte Zollgrenze ansehen, am Schluss immer zum ›Kölsche Klüngel‹ und bleiben den Rest des Abends dort hängen. Die ›Zollgrenze‹ ist zwar älter, aber nicht erfolgreicher. Meine Mutter hat die mal angeboten bekommen. Schick. Altehrwürdig. Aber zu hohe Pacht.«
Ein paar Minuten später sitzen wir im Restaurant ›Zur alten Zollgrenze‹, das alle immer nur die Zollgrenze nennen. Der Weg ist nicht weit, nur ein paar Hausnummern die Straße hinauf. Auch hier herrscht Früh. Das Logo der Kölschsorte prangt auf dem goldenen Zapfhahn und als Leuchtschlauchbild an der Wand.
»Also gut, worüber möchtest du reden?«, frage ich Udo, nachdem wir bestellt haben. Udo schluckt. Er sieht hilflos aus. Ich hake nach: »Du wolltest doch ein Date mit mir.«
»Äh … ja. Ich dachte, wir unterhalten uns einfach ein bisschen. Ganz locker.«
Der Kellner kommt zurück und zündet die Kerze zwischen Udo und mir an.
»Klar, können wir machen«, sage ich. »Worüber?«
Udo überlegt und sagt: »Ist das Essen denn gut hier?«
Ich verdrehe die Augen. Nur Wetter wäre schlimmer.
»Weiß ich nicht. Ich war schon lange nicht mehr hier essen.« Ich mache es ihm aber auch nicht leicht. Warum sitzt mir eigentlich nicht Hartmut gegenüber? Ich sollte ihn wirklich anrufen. Ich vermisse ihn.
»Und Irmtraut fühlt sich wohl?«
So, wie er das sagt, fühlt Udo sich sichtlich nicht wohl. Entweder ist er wirklich in mich verknallt, oder irgendjemand zwingt ihn, mich zu umgarnen. Wie komme ich nur immer auf diese Gedanken?
»Klar fühlt Irmtraut sich im Aquarium wohl. Wofür hattest du dir eigentlich dieses Riesenteil angeschafft?«
»Für mein Hobby. Dann habe ich mir eine bessere Möglichkeit ausgedacht, konnte das Aquarium aber nicht zurückgeben.«
»Also, um Spülwasser zu sammeln.«
Udo läuft hochrot an.
Weitere Kostenlose Bücher