Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
und Sauberkeit werden sowieso überbewertet.«
»Nein, Kind, lass mal, geh baden. Du musst dich schonen.«
»Nein, ich gehe jetzt runter.«
»Gut, dann nimm doch auch noch die Servietten mit.«
»…«
»Was?« Meine Mutter lässt kleine Fragezeichen über ihrem Kopf aufsteigen.
»Ich bin nicht dein Dienstmädchen!!!«
»Susanne! Das sage ich doch gar nicht! Wie kommst du nur darauf? Das verletzt mich aber sehr.«
»Du behandelst mich oft genug so. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mir das auf den Senkel geht!«
»Susanne, Kind, musst du immer so direkt sein? Das geht doch auch diplomatischer!«
»Mutter. Das war diplomatisch!«
»Aha.«
»Ja.«
»Soso.«
»Ja, das ist eben so! Wenn mich was stört, halte ich mich mit diplomatischer Höflichkeit zurück und warte, bis sich was ändert. Üblicherweise 30 Sekunden, bei dir erheblich länger. Irgendwann siegt aber immer die Pragmatik.«
»Diplomatisch …«
»Du verstehst mich nicht.«
»Susanne, niemand versteht das!«
Ich schnaufe und knalle die Tür hinter mir zu. Doch mein Zorn wird noch auf der Treppe von einem breiten Grinsen weggewischt. Meine Lebensgeister sind wieder erwacht. Ich habe meiner Mutter den üblichen Tanz verweigert. Was für ein gutes Gefühl!
Ich hetze den Lieferanten, zähle schon beim Abstellen mit und erledige alles andere nebenher. Ich bin bei jedem Handgriff voll da. Kein Aussetzer. Ich bin wieder ich! Zügig tue ich, was getan werden muss, und belohne mich dabei mit der Aussicht auf das, was getan werden kann . Und das ist ein schönes, ausgiebiges Vollbad, von dem mich nun auch meine Mutter nicht mehr abhalten wird.
»Wat soll dat sin? Mer han doch de katholische Kirch hee! Die müsse mer doch nit aanbaue.«
»Das ist doch der Witz dabei. Ihr Kölner sprecht Kirche wie Kirsche aus. Das wird in Köln der Hit! Diese Kirschbauerngemeinschaft in Italien, die haben hervorragende Ware, setzen aber nicht alles ab, was sie produzieren. Die suchen nach neuen Ideen. Und jetzt kommen wir ins Spiel. Wir produzieren sonnenundurchlässige Aufkleber in Kreuzform, pappen sie auf die Kirsche und haben am Ende ein helles Kruzifix auf der Frucht. Damit wird aus einer normalen Kirsche die ›Katholische Kirsche‹. Das wird ein Renner in Köln!«
Im Gastraum werden fröhlich Ideen ausgetauscht. Eigentlich beginnt gleich die nächste Sitzung der Bürgerinitiative. Protest und Revolution. Aber die Wartezeit bis zum Beginn nutzt der Kölner gern, um verwegene Geschäftsmodelle zu entwickeln.
»Von den Kirschen kann man auch einen Likör machen. Oder einen süßen Schnaps mit ganzen Früchten. So sanft und melodisch wie der kölsche Dialekt. Oder vielleicht geweiht?! Der darf natürlich nicht ›Ratzinger‹ heißen. Das wäre der Name für einen harten Schnaps. So einer, der unnachgiebig ist und alles durchspült. Aber vielleicht Meisner oder Frings. Nach den Kardinälen.« Der Sitznachbar des Kirschenmannes hört aufmerksam zu. Er hat die potentiellen Flaschen bereits vor Augen.
Die Stimmen werden leiser und aufgeregter. Ich blicke mich um und sehe Rick vor dem Stammtisch stehen. Er gibt einem RTL-Journalisten vor laufender Kamera ein Interview. Rick wirkt sehr aufgeräumt, seine Augen sind ruhig. Ernste Gesichter sitzen am Stammtisch. Ich trete näher hinter die Kamera.
»Sie sind also gegen alles?«
»Das ist korrekt. Wir wollen generell keinen Ausbau der Neusser Straße«, sagt Rick und holt Luft, um das weiter auszuführen. Doch Trude donnert dazwischen: »Met de Atomkraff muss och Schluss sin!«
»Ävver de Fingstöbb-Plakette müsse widder fott!« Der große Pils-Mann, der Rick vor ein paar Tagen wieder auf die Beine geholfen hat, muss ein wahrhaft glücklicher Mann sein. Seine einzige Sorge sind die nutzlosen Feinstaubplaketten.
»Eja, dat brängk suwiesu nix«, bestätigt Trude.
»Dät mäht nor de klein Betriebcher kapodd«, sagt ein weiterer Mann vom Stammtisch. Es scheint doch ein aufreibendes Thema zu sein.
»De Bänker! Wann dat Hildche pleite geiht, hilf ihm och keiner«, sagt eine Frau, die am Stammtisch ständig erfolglos versucht, mit dem Pils-Mann anzubändeln.
»Dä FC muss Sorg drage, dat dä Poldi för immer bliev. Ich ben dogäge, dat die gode Spiller immer avhaue«, kontert der Pils-Mann.
»Ich ben gäge de Stüür«, toppt Trude. Gegen Steuern zu sein, ist eine sichere Bank. Die muss nie gerettet werden.
»Eja! De Stüür muss winnigstens op ene Bierdeckel passe«, sagt Trudes beste Freundin
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