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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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ein paar Orgelpfeifen tönen. Ein Domschweizer im langen roten Gewand schnuppert. Ein anderer schaut erst zur Orgel, dann zu seinem Kollegen. Sie zucken mit den Schultern und gehen auf ihre Posten.
    Ich mache eine Runde durch die herrlichen heiligen Hallen, mit besonderem Augenmerk auf die Fenster. Das neueste wurde erst 2007 entworfen. Die Sonnenstrahlen führen auf den hellen Säulen und dem Mosaikboden mit himmlischer Leichtigkeit einen vielfarbigen, huldvollen Tanz auf. Es fühlt sich an, als nehme er mich mit. Als könnte ich auch alle Last von mir werfen. Als wäre das doch wieder möglich, noch in diesem Leben. Ich lobe die Fenster und deren Farbenspiel. Der Dom freut sich.
    Als ich wieder am Haupteingang ankomme, gehe ich durch den Mittelgang weit nach vorn zum Altar und setze mich in eine Bank. Der große goldene Sarkophag mit den Gebeinen, die angeblich von den Heiligen Drei Königen stammen, von denen selbst die Bibel stellenweise behauptet, es seien einfache Hirten aus der Gegend gewesen, glänzt und glitzert. Als würden das Gold und die Edelsteine aus sich selbst heraus leuchten wie Sterne. Wegen seines Inhalts wurde das Gotteshaus gebaut.
    Die beiden großen Türme zucken kurz, fast wie zuvor die Schultern der Domschweizer. Der Dom erzählt mir, dass schon 1965 vierhundert Muslime in ihm das Ende des Ramadan gefeiert haben. Er sehe sich nicht als Reliquienschrein, eher als Sendemast zu Gott.
    Wie zum Beweis fühle ich mich in einen Ruhezustand versetzt, wie ich ihn schon lange nicht mehr erleben durfte. Sogar meine Füße werden von unten gewärmt. Ich überlege kurz, an welcher Stelle sich die römische Fußbodenheizung befindet; ich müsste in etwa darüber sitzen, aber ich weiß, dass sie üblicherweise nicht benutzt wird. Meine Ruhe wird immer tiefer. Atem und Herzschlag schwingen im Optimalzustand. Ich fühle mich geborgen, als wäre ich im Fell eines riesigen schnurrenden Yannick eingekuschelt. Der kleine Diamant auf meinem Dekolleté bewegt sich leicht auf und ab, als würde das Schnurren des großen Katers hier widerhallen.
    Mit einem gewaltigen Schütteln leitet der Dom meine Heilung ein. Er will es versuchen, und ich lasse es zu. Entschlossen präsentiert er mir die ersten fünf Artikel des Kölschen Grundgesetzes.
    »Et es, wie et es.« Deswegen muss ich den Tatsachen ins Auge sehen.
    »Et kütt, wie et kütt.« Wenn etwas wirklich unabwendbar ist, muss ich lernen, damit zu leben.
    »Et hät noch immer goot gegange.« Der Rest funktioniert, und dafür darf ich dankbar sein.
    »Wat fott es, es fott.« Es hilft nichts, sich an etwas zu klammern, das weg ist.
    »Et bliev nix, wie et wor.« Und die allgegenwärtige Veränderung kann auch Gutes bringen.
    Vor dem Hinausgehen zünde ich für Lisa eine Opferkerze an. Ich bleibe einen Moment lang stehen, den Blick auf den vielen flackernden Lichtern. Ob es so schnell geht? Ob der Dom glaubt, nun sei alles wieder gut? Glaube ich es? Ich weiß nur, dass ich mich besser fühle. Viel besser. Auf dem Bahnhofsvorplatz drehe ich mich noch mal zu meinem steinernen Freund um und bedanke mich. Er zwinkert mir zu.

    Das Badewasser läuft ein. Es ist schon ganz praktisch, dass Irmtraut nun ihr eigenes Zuhause hat. Vielleicht sollten wir mal nach einem Partner Ausschau halten. Nur nicht in der Wohnung meiner Mutter. Daran muss sich etwas ändern. Mit Ende zwanzig sollte niemand mehr dauerhaft bei der eigenen Mutter wohnen.
    »Liebes, nimm doch bitte den Abfall mit, bevor du die Kneipe aufschließt, um die Suppe aufzusetzen und den Getränkelieferanten zu empfangen. Der hatte heute einen Unfall und kommt deswegen so spät. Und wenn du im Keller die neuen Getränke durchgezählt und abgehakt hast, kannst du noch einen Beutel Blumenerde mitbringen. Ich komme sofort nach, wenn ich das neue Besteck ausgepackt und poliert habe, nachdem ich eben noch durchsaugen konnte.«
    »Aber Mama, ich wollte gerade in die Wanne gehen.«
    »Ach, ich dachte, du wolltest runter. Gleich gibt es doch wieder eine Versammlung.«
    »Nein, wollte ich nicht. Zumindest nicht so früh, die Versammlung fängt erst in zwei Stunden an.«
    »Ach so. Ja. Entschuldige.«
    Sie ahnt nicht, wie rasend es mich macht, wenn sie so ist. Sie spielt Spiele mit mir, und ich gehe jedes Mal darauf ein. Das ist auch ein Tanz, dem man kaum widerstehen kann, aber nicht so ein erbaulicher wie der der bunten Lichtstrahlen im Dom.
    »Okay, ich mach’s«, sage ich wütend. »Ich lasse das Wasser wieder ab. Erholung

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