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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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es sein.
    Eine Weile liege ich, als es an der Tür klopft. Es ist Khaled.
    »Hartmut. Kommst du zu uns.« Es ist keine Frage, sondern ein Befehl.
    »Ich bin schon im Bett.«
    »Schlaf ist großer Dieb! Raubt dir halbes Leben!«
    Ich muss schmunzeln. Der Pfropf wackelt. Ich drücke meine Arme über Kreuz auf die Brust.
    »Will nicht!«
    Khaled schnauft. »Dann du versprichst, wirklich zu schlafen? Schlafen, nicht denken.« Er überlegt, ich höre sein Atmen vor der Tür. Gleich kommt noch ein Kalenderspruch. Nur ein paar Sekunden. Er holt Luft und sagt: »Denken ist noch größerer Dieb! Raubt dir ganzes Glück!«
    Ich liebe ihn für diese Sprüche. Aber ich bleibe liegen.
    »Gut Nacht!«, beschließt er den kargen Dialog durch die Tür und wartet noch einen Moment. Nach ein paar Sekunden entfernen sich seine Schritte.

    In tiefster Nacht schlurft Khaled über den Flur in sein Zimmer und verabschiedet ein paar der anderen Männer, die ebenfalls hinter Türen verschwinden, weil sie selbst für eine Mopedheimfahrt zu viel getrunken haben. Ich höre die Geräusche im Halbschlaf, wie man sie als kleiner Junge hört, wenn man während der Geburtstagsfeier der Eltern schon seit Stunden im Bett liegt. Sobald die Gäste gehen und im Flur vor der Tür stehen, hebt einen das Gebrabbel ein ganz kleines bisschen aus der zähen Schwärze des Schlafes. Man liegt immer noch tief in der Grube und weiß nicht, ob man es träumt. Man weiß nur, dass man es mitbekommen möchte, halb bewusstlos, alle Glieder gelähmt. Als auf dem Flur die Türen zu sind und Khaled seine gerade aufschließen will, klingelt sein Handy, und er wechselt vom abgehackten Litauisch in einen geflüsterten, aber flüssigen arabischen Wortschwall. Es klingt, als ob er einen anderen Menschen beruhigen müsse. Wie Berge und Täler aus Konsonanten und Vokalen, schnell und langsam, als ob er mit den Worten die Welt ordnet, weil sie seinem Gesprächspartner gerade auseinanderfällt. Ich versuche, aus meiner Schlafohnmacht höher aufzusteigen, doch mir entfährt nur ein unbeabsichtigtes Grunzen. Khaled zischt drei, vier Wörter in den Hörer, legt schnell auf und schließt die Tür seines Zimmers. Ich sinke zurück in die Grube.
    > Hartmut

< Susanne
    Sendemast zu Gott
    19.–20. 03. 2011
    50° 56′ 28.38″ N, 6° 57′ 25.45″ E
    »Susannchen, Liebes, wo bist du? Kind, so sag doch was?«
    »Mama?«
    »Ja, ach Kind, ich habe dich überall gesucht. Deine Schuhe und deine Jacke waren da, aber ich habe dich trotzdem nicht gefunden. Was machst du denn hier unten?«
    »Ich wollte nur in den Garten, als ich den Postboten an der Tür gesehen habe. Und nun schau hier«, sage ich, während ich die Türen der Thekenkühlung öffne.
    »Oh, das ist unglaublich! Susanne!!!« Meine Mutter umarmt mich euphorisch und sieht genauer hin. »Da kann man ja nun jeden Winkel sehen, und das Thermostat erkenne ich jetzt sogar, wenn ich einen Schritt zurückgehe. Susanne, das ist phantastisch! Danke schön, meine Kleine!« Sie streckt ihren mageren Körper komplett in einen der Kühlschränke. Wahrscheinlich inspiziert sie, ob auch wirklich alles sauber ist.
    »Das Licht ist frostsicher und hält ewig. Sogar die Schrumpfschläuche sind frostsicher, aber so kalt werden die Kühlschränke ja nicht.«
    Meine Mutter klettert wieder heraus. Sie strahlt. Als sie sich zu ihrer üblichen Länge auseinandergefaltet hat, umarmt sie mich erneut.
    »Kind, wie schön! Der Tag fängt ja richtig gut an!«

    Als ich eine halbe Stunde später vor dem Bildschirm sitze, schreibt Caterina mir zurück, dass ich durchaus daran denken darf, die Bürgerinitiative zu meiden und die anderen ihren Kampf ohne mich kämpfen zu lassen. Aber kann ich das wirklich? Es ist doch auch meine Mutter betroffen und das Haus meiner Kindheit. Da muss ich mich doch engagieren. Ich mag keinen Entschluss treffen. Mir fällt ein, dass ich noch herausfinden wollte, was dieser Blutwert besagt, den die Koryphäenärztin für überflüssig hielt. Chromogranin A. Sieh mal einer an. Google sagt, es ist ein Tumormarker für verschiedene Arten von Krebs. Schilddrüse, Darm, Hypophyse, Bauchspeicheldrüse und Lunge. Okay, ist eine Gynäkologin fachlich inkompetent, wenn sie das nicht weiß? Nein, eigentlich nicht. Mut zur Lücke. Ist Mamas Hausärztin übervorsichtig, weil sie diesen Wert hat testen lassen? Auf meine Schilddrüse muss ich tatsächlich aufpassen. Schon als Kind wurde bei mir entdeckt, dass ich an der Schwelle einer

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