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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Hände auf die Griffe der Karre abgelegt. Seine Wangen sind speckig und seine Knopfaugen dunkel.
    »Sie wissen, was die Wanne wert ist, oder?«, sagt der Verkäufer. »Ja, das wissen Sie ganz genau.«
    »Weiß ich das?« Der Brillenmann schmunzelt. Er hat gepflegte Nägel. Der will die Wanne nicht zum Baden haben. Das ist ein Spekulant, ein Antiquitätenexperte. Nur Profis haben einen Sackkarren-Caddy dabei.
    »Moment!«, unterbreche ich das Zwiegespräch und finde es schon ärgerlich, dass ich es überhaupt tun muss, denn schließlich stand ich bereits als Erster vor der Wanne, wenn auch schweigend. Hastig krame ich in meiner Geldbörse und treibe meine Fingerkuppen zwischen die zerknüllten Quittungen, damit sie mir sagen, wie viele Scheine sie dort finden. Ich habe dreihundert Euro dabei. Nestor steht unschlüssig auf dem Weg und sieht zu dem Stand zurück, an dem er die Maxi-CD in Händen gehalten hat.
    »Dreihundert!«, sage ich und halte dem Verkäufer mein offenes Portemonaie vor die Nase. »Ich gebe Ihnen dreihundert dafür.«
    »Dreihundertzehn«, sagt der Antikhändler.
    Mein Herz beschleunigt. Ich stehe vorm Endgegner, jetzt muss ich ihn auch besiegen. Ich bade heute Abend, das ist bereits fest in meiner Seele eingraviert wie eine Zeitlinie, die nicht mehr verhindert werden darf.
    »Nestor!«
    Er träumt.
    »Nestor!« Ich trete ihm auf den rechten Fuß.
    »Aua!«
    »Wo bist du denn gerade?«
    »Mir ist klargeworden, dass ich noch keinen einzigen Text über die Chart-Acts der neunziger Jahre geschrieben habe. Caught In The Act, Bobby Brown, Vanilla Ice …« Ich trete ihm auf den linken Fuß. »Aua!«
    »Hast du Geld dabei?«
    »Ja.«
    »Wie viel?«
    Er sieht nach. »Rund hundert Euro.«
    »Wir bieten vierhundert für die Wanne!«, sage ich.
    Der Verkäufer zieht die Brauen hoch, schmatzt und schaut wieder zum Antikmann. Der steckt seine Brille in die Tasche seines karierten Hemdes, klappt sein Lederetui auf und zieht vier Hunderter heraus. Er wartet eine Sekunde. Dann zutzelt er einen Zehner hinterher. »Vierhundertzehn.«
    Der Verkäufer haut auf seinen Tisch: »Verkauft an den Herrn mit der Brille.«
    Der Antikmann nickt. Sein Assistent löst die Hände und kippt die Karre. Ich krame in meinen Münzen. Stecke die Nase in Nestors Hartgeld. Nur 20-Cent-Stücke und zwei Einer. Mehr haben wir nicht, und hier zählt nur Bares. Meine Ohren sausen.
    »Der badet doch gar nicht!«, schimpfe ich. »Der spekuliert doch nur. Lässt die Wanne von seinem Schergen da aufbocken und verkauft sie am anderen Ende des Platzes für fünfhundert weiter.«
    »Er hat zehn Euro mehr dabei«, sagt der Verkäufer, der das Geld noch nicht in die Hand bekommen hat. »Alles andere ist mir egal.«
    Der Karrenfahrer macht einen Schritt in Richtung meiner Wanne, und ich springe los, Arme um seinen Hals, ihm direkt auf das Kreuz. Er grunzt überrascht, dreht sich und schleudert mich auf den Boden zwischen die Eisenwaren. Ich krache mit dem Rücken gegen eine Schubkarre. Auf dem Weg vor dem Stand bleiben die Ersten stehen. Ich rappele mich auf, greife nach einer Gießkanne aus Blech und werfe sie nach dem Knopfaugen-Gorilla. Er schlägt sie aus der Luft wie Godzilla einen Hubschrauber. Ich stürze auf ihn zu und versuche einen Bodycheck. Schulter gegen Solarplexus. Er taumelt, und wir rollen über den Boden. Das Publikum wächst.
    »Die Felder den Bauern!«, höre ich mich schreien, als ich auf den Mann einhaue und meinerseits Faustschläge auf die Schläfe einstecke. »Die Maschinen den Arbeitern! Und die Wannen den Badenden!«
    »Jawoll!«, ruft einer aus der Menge.
    »Jetzt hört doch auf mit dem Wahnsinn!«, fleht Nestor.
    Der Gorilla bekommt am Wegesrand eine Bierflasche zu fassen. Nestor greift nach einer Schaufel.
    »Stopp!«, ruft der Chef des Gorillas, bevor er mir die Flasche ins Gesicht dreschen kann, zieht seine Brille aus der Hemdtasche und setzt sie wieder auf. Der Gorilla lässt die Flasche klimpern und mich los. Ich stehe auf und bringe zwei Meter Abstand zwischen uns. Der Spekulant schüttelt den Kopf, deutet auf die Sackkarre und winkt seinem Handlanger, mit ihm die Fliege zu machen.
    »Ruhrgebiet …«, sagt er und schüttelt den Kopf, als er geht.
    Wir haben den Endgegner besiegt.
    »Tut uns leid, dass Sie jetzt zehn Euro weniger kriegen«, sage ich, als wir dem Verkäufer die Wanne bezahlen.
    »Das ist nicht euer Ernst, oder?«, antwortet er. »Seht euch doch mal um – so viel Publikum hatte ich an meinem Stand

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