Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
noch nie.«
Es kreischt, während der Aufzug im Wohnheim nach oben fährt und die Katzengesichtfüße der gusseisernen Wanne am Blech der Kabine ihre Spuren hinterlassen.
»Pass auf, sie fällt doch!«
»Sicher fällt die Wanne, wenn die Tür aufgeht!«
Die Aufzugtüren öffnen sich, als wir im zehnten Stock ankommen, und das gusseiserne Monstrum, das eben noch an ihnen lehnte, kracht auf den Boden und rammt mit seinen Füßen Kerben in den Stein. Es lärmt unglaublich. Unten konnten wir die Wanne gerade mal zu zweit hochstemmen, bis die Türen sich zuschoben.
»Was für eine Maloche!«, ächzt Nestor.
»Ja«, sage ich. »Ist es nicht herrlich?«
Wir tragen das Ungetüm in winzig kleinen Trippelschritten über den Flur zu meinem Appartement und setzen auf dem kurzen Weg insgesamt siebenmal ab. Es stört mich nicht. Im Gegenteil.
»Das war eine ganz feine Sache, heute Vormittag«, sage ich, während Nestor sich auf seinen Oberschenkeln abstützt.
»Was?«, hechelt er, »dass du beinahe mit einer Flasche erschlagen wurdest?«
Ich weite meine Augen und tue so, als erstaune mich seine Skepsis.
»Nestor!«, hauche ich und beuge mich über unsere gusseiserne Beute zu ihm vor, »das war eine astreine, rustikale Ruhrpottrauferei. Hm? Das ist was ganz Feines. Das darf kaum ein Mann heute noch erleben, das sag ich dir.« Ich schmunzele. Nestor schüttelt den Kopf. Ich habe den Endgegner besiegt. Ich habe eine Badewanne.
Hundert Trippelschritte und einen völlig ausgelaugten Nestor später steht der Zuber mit den Katzengesichterfüßen mitten in meinem Zimmer und nimmt zwischen Kleiderschrank, Regal, Bett und Schreibtisch fast den gesamten Raum ein. Yannick läuft aufgeregt um das neue Objekt herum und schnuppert an den Füßen.
»Hast du dir mal überlegt, wie du sie …«
Nestor braucht seine Frage nicht zu Ende zu bringen, denn er sieht bereits, wie ich zwei Töpfe mit Wasser auf dem Herd aufsetze, um einen Hitzeschub reinzukriegen, und für die große Menge mit dem Putzeimer das warme Wasser aus der Dusche zu holen beginne. Rauschend füllt der Duschkopf meiner Plastikbox, in der ich mich so lange mit würdelosen Versuchen gequält habe, den ersten Eimer. Feierlich trage ich ihn zum Zuber, vergewissere mich, dass der Stöpsel sitzt, und schütte das Wasser hinein. Nach zehn Eimern nehme ich in der Küche die Punk-CD aus dem Ghettoblaster, lege Queen ein, hole meine Badeschaumflaschen und kippe zu Freddie Mercurys kraftvollem »Hallelujah!« die ersten blauen, grünen und roten Zusätze hinein.
Nestor schaut sich das Ritual an. »Dir ist aber schon klar, dass du nach dem Baden die ganzen zweihundertfünfzig Liter auch wieder per Hand abschöpfen musst?«
Ich nehme den ersten Topf mit kochendem Wasser vom Herd, trage ihn zur Wanne und sehe Nestor durch den Dampf des heißen Wassers hindurch an: »Ja. Und weißt du was? Darauf freue mich fast genauso wie auf das Baden selbst.«
»Du rennst nachher hundert-, zweihundertmal zwischen Wanne, Bad und Spüle mit dem Eimer hin und her.«
»Ich nehme meine zwei großen Fußbadplastikwannen, und für den Rest stelle ich einen Topf unter den Ausguss und ziehe den Stöpsel. Aber es wird trotzdem lange genug dauern. Lange genug. Dabei wird der Fernseher laufen, schöne Berieselung, und ich werde bei jedem Gang genau wissen, dass darauf noch einer kommt. Und darauf. Und darauf. Es gibt nichts Besseres, als zu wissen, was als Nächstes passiert.«
Nestor nickt zögerlich.
»Und weißt du, was passiert, wenn diese Wanne voll ist?«
Er beugt sich beiläufig hinab, um Yannicks Kopf zu tätscheln, der ihm um die Beine streift.
»Ich mache die Rollos runter, stelle Kerzen auf und lege mich in die Wanne. Ach ja, und vorher schmeiße ich dich raus.«
»Okay«, sagt er. »Ich hole dann in der Zeit die Chart-Acts der Neunziger nach.« Ich hebe bedrohlich den kochend heißen Topf. Nestor sagt: »War’n Scherz!«
Das Rollo rattert.
Das Feuerzeug facht die Kerzen an.
Der Laptop ist im Ruhezustand, genau wie ich. Eben habe ich die Post geprüft und ein paar Zeilen von Mario gelesen:
Die alte Maffay-Kassette ist angekommen. Jochen musste das erste Mal seit langem wieder schmunzeln. Vor allem, weil Du sie verpackt hast wie ein Vierjähriger. Es hielt aber nicht lange an. Er wollte zu »Ich bin frei« Luftgitarre spielen, auch wenn das bei den Liedern der Schlagerphase unpassend ist. Es ging natürlich nicht, wegen des Gipses. »Ich bin unfrei«, sang er fortan bei jeder
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