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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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rostigen Etagenbetten zeigen und mit stolzen Lachen sagen: »Hier ist euer Reich, macht es euch gemütlich!«
    Genau solche Leute aus meinem alten Bekanntenkreis soll mein bester Freund aufsuchen, sobald er aus Los Angeles wieder daheim angekommen ist, damit sie einen Unterschlupf für Rahime vorbereiten. Meine Mutter hat sich früher stetig große Sorgen wegen meines »Umgangs« gemacht, aber man muss sich überlegen, welche Türen einem in der Not tatsächlich geöffnet werden. Meiner Erfahrung nach sind es eher die, von denen die Farbe abblättert, als die, die zweihundert Meter hinter dem Stahltor mit der Fischaugenkamera liegen. Khaled passt in keine dieser beiden Kategorien. Als ich ihn beim Abflug in St. Petersburg gefragt habe, womit wir am Ziel überhaupt vorankommen sollen, hat er geantwortet: »Ich habe Landrover überall auf Welt.« Mein Schmunzeln über diese Angeberei ist erst vergangen, als er in der heißen Sonne Tunesiens über den Parkplatz schlenderte, die Hand mit dem Funkschlüssel hob und sich mitten unter den geparkten Wagen mit einem freudigen »Uh-uh uh-uh« sein Gefährt bemerkbar machte.
    Khaled pfeift, bleibt mitten auf einer belebten Kreuzung stehen und grüßt einen Mann, der von einem Bollerwagen aus Orangen verkauft. »Khaled!!!«, ruft der Weißbärtige, als sei mein grenzenloser Freund auch hier Stammgast.
    »Issam!«, antwortet Khaled und kommentiert für mich kurz den Mann: »Issam kleiner Bandit.« Er hält einen Schwatz auf Arabisch. Es geht ihm so flüssig von den Lippen wie seine Flüsterei in der Nacht, die ich glaube, gehört zu haben. Das Gespräch mit Issam dauert an, und die anderen Verkehrsteilnehmer kurven hupend um die wuchtige, schwarze Landrover-Insel herum. Ihr Hupen ist nicht wütend, eher heiter, manche winken sogar. Sie haben keinen Diktator mehr. Khaled nestelt tunesische Scheine aus seiner Tasche und kauft dem Mann eine riesige Tüte Orangen ab. Kaum hat er sie, gibt er endlich wieder Gas, winkt mit links, wirft mir mit rechts eine Frucht zu und beginnt, sich selbst eine zu schälen, während er das Schlachtschiff von Auto mit den Knien durch Gassen lenkt, die stärker bevölkert sind als die Kölner Severinstraße am Rosenmontag. Der Wagen lässt zwischen sich, Mopedfahrern, Häuserwänden und Werbetafeln häufig nur einen Millimeter Platz, aber Khaled bleibt so locker, als glitte das Ding auf unsichtbaren Schienen.
    »Gute Orangen?«, fragt er mampfend, und ich nicke, statt ihn daran zu erinnern, dass wir eigentlich in Eile sind.

    Von der Insel Djerba führt ein Damm rüber aufs Festland, an dessen Nordostküste der Urlaubsort Zarzis gelegen ist. Der Damm ist bloß zwei Spuren schmal, links und rechts erstreckt sich das Mittelmeer.
    »Wasser für Djerba«, sagt Khaled und zeigt auf zwei Rohre, die in ihren Fassungen neben der Straße herführen. Sie sind kaum dicker als ein Medizinball und wirken so fragil, dass ein Schlag mit dem Samuraischwert sie leicht teilen könnte.
    »Durch die Pipeline läuft das gesamte Trinkwasser für die Insel?«, frage ich und lache, weil es mir so absurd vorkommt. Das große Djerba, Urlaubsparadies in der Phantasie meiner Kindheit, abhängig von zwei läppischen überirdischen Rohren auf einem windumtosten Damm.
    »Ja«, bestätigt Khaled.
    Ein Unfall genügt, denke ich, ein ausscherender LKW und ganz Djerba verdurstet. »Da ist noch nie was passiert?«
    Khaled schüttelt den Kopf.
    Auf dem Festland gibt es noch mehr Rohbauten als auf der Insel. Aber was heißt schon »roh«? Khaled meint es nicht scherzhaft, als er im Vorbeifahren auf ein paar Gerippe zwischen Steppenboden und kleinen Büschen zeigt, sie »Villen« nennt und »kannst du kaufen« sagt. Die »Villen« haben noch keinen Boden, keine Fenster, keinen Garten, keine Türrahmen. Khaled hebt die Hand und macht eine Schätzbewegung: »Nimmst du 200000 Euro, hast du Haus im Paradies. Ist jetzt sicher, ohne Ben Ali. Billig. Baust selber fertig. Machst du gutes Geschäft.«
    Ich denke zurück an das Fachwerkhaus in Großbärenweiler und erschrecke mich, weil mich das, was ich hier sehe, trotz meiner Erfahrungen mit unrettbaren Ruinen anregt. Die »Villen« stehen da wie hingerotzt, flüchtig skizziert von einem Künstler, der die Leinwand verlassen hat, weil er an den Strand wollte. Zu Tausenden liegen Ziegel aus rotem Ton rund um die Baustellen, zum Verarbeiten gestapelt, aber auch in Trümmern und Splittern, als hätten die Männer eines Abends ein großes

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