Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
trägt Flipflops und ein gelbes Hemd mit der Aufschrift Animateur .
»Das ist Houssen«, stellt Khaled ihn mir vor. Unser Kontaktmann. Der, der Caterina und Rahime versteckt hat. »Houssen ist Familie«, lacht Khaled, zeigt dann der Reihe nach auf den kleinen Rezeptionisten, den Schmuckverkäufer und den Kioskmann und sagt: »Die anderen? Große Banditen!« Sie lachen.
In einer Sitzecke schräg hinter der Wendeltreppe, wo das Foyer in die Bar übergeht, sitzt eine Gruppe Tunesier und palavert. Die Sprachmusik ist laut und dynamisch, sie schwillt an und ab wie ein Tosen auf hoher See und trägt zugleich diese Gelassenheit in sich, die mich nervös macht.
»Das ist Nationalmannschaft«, kommentiert Khaled und schmunzelt. Der Schmuckverkäufer, dessen Haltung man zu Hause als äußerst linkisch bezeichnen würde, zeigt Khaled einen Zettel, der wie ein Scheck oder Schuldschein aussieht. Khaled nickt, als entspräche die Summe seinen Erwartungen. Was ist das für ein Mann? Lebt auf der ganzen Welt und hat überall seine Geschäfte am Laufen, sogar mit linkischen Schmuckverkäufern in überalterten tunesischen Bettenburgen. Der kleine Rezeptionist springt auf und stemmt sich mit seinem untersetzten, knuddeligen Körper auf den Tresen, um Khaled einen Extraschmatzer zu geben.
»Größter Bandit von allen!«, betont Khaled und kneift dem winzigen Mann in die Wange.
Houssen wartet die Zeremonie geduldig ab und schlappt schließlich mit seinen Flipflops zur Tür, hinter der Treppen von einem kleinen Balkon hinunter zum großen Poolbereich führt. Die Hauptflügel des Hotels sind um das Becken herumgebaut. Houssen blickt uns wortlos und ernst an. Wir nicken. Er führt uns zu jetzt zu Caterina, von der wahrscheinlich nicht mal die Banditen etwas wissen, geschweige denn die plapperfreudige Nationalmannschaft.
Wir folgen dem schlaksigen Animateur in das weitläufige Gelände. Eine Dusche, zehn Meter rechts vom Pool, steht unauffällig zwischen zwei Büschen wie eine Skulptur aus vergangener Zeit. Mit großen Steinplatten gepflasterte Pfade führen durch einen Garten, den weitere Flügel des Hotels umschließen, dann geht es über einen breiten Weg links hinab am nächsten Gebäude vorbei. Kleinere Häuser, noch ein Pool, rechts ein hochaufragender Block hinter einer Mauer, an der eine Speisekarte angeschlagen ist. Discothek und Pizzeria. Ein großer, handgemalter Bowling -Schriftzug. Neben einer Unterführung rankt eine Pflanze aus dem schmalen Streifen Erde zwischen Betonweg und Mauer. Das Gelände geht auf der anderen Seite der Straße weiter, die über uns verläuft. Wir drehen uns nach links und schauen Hunderte von Metern weit in einen Park mit großen Agaven und kleinen weißen Bungalows. Terrakottaschalen stehen auf weißblauen Pollern an den Wegen. Einzelne Palmen erheben sich in den blauen Himmel. Eine uralte Minigolfbahn aus Stein liegt zwischen den Rabatten. Sie wirkt noch verlassener als die Dusche. Hindernisse sind abgebrochen und liegen neben den Löchern wie pompejanische Mauerstücke. Die Bungalows haben kleine Nummern, die in Ständern aus lackiertem Metall vorne am Wegesrand stehen. Manche davon liegen auf dem Boden. Bei allem nachlässigen Verfall, dem man Stein und Stahl ausgesetzt hat, sind die Beete auch hier aufs Allerfeinste gepflegt. Kein totes Blatt liegt auf der frisch geharkten Krume. Ganz links führt der Weg an der hohen Mauer vorbei, die das Gelände von der eben unterquerten Straße abgrenzt. Überall quillt das Gras aus den Ritzen zwischen den Betonplatten. Im zwei Meter breiten Boden zwischen Weg und Mauer wachsen große Pinien. Habe ich meinen Weg zu ihnen also doch noch gefunden.
Houssen führt uns im Schatten der Mauer entlang. Er hat die Frauen in einem dieser äußeren Häuser versteckt. Obwohl das Hotel trotz des nagenden Zahnes der Zeit in mir das Gefühl weckt, die Schuhe ausziehen und über die sonnengewärmten Steine zum Strand laufen zu wollen, stimmt es wirklich, was ich halb im Scherz am Telefon zu Caterina gesagt habe. Dieses gigantische Gelände ist im Grunde wie die Ruhr-Uni für Ferien. Es scheint niemals zu enden, ist verwirrend gebaut, vollzieht an jeder Ecke die Hochzeit von eifriger Pflege und sorglosem Verfall und bringt es fertig, dass selbst Beton den Wurzeln Nahrung gibt. In die Wege, die wir gerade passieren, haben Kinder oder Liebende Namen eingeritzt. »Jules & Marie« oder »Mickel & Aline«. Daneben steht überall die Jahreszahl 1999. Es fällt mir schwer,
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