Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
Vom Netzwerk:
Ich sehe Mann. Er geht zu hermana. Er mich anlache und schubs sie vor nächsten tren. Ich sehe Fetzen von Fleisch. Mi hermana. El final.«
    Oh, das war zu viel. Meine Mutter steht kurz vorm Explodieren. Sie öffnet ihren Mund und hebt die Hände zum Klatschen, um Alejandros Schauspiel als solches zu offenbaren.
    »Ich kaufe es für 150000 Euro«, sagt eine Stimme.
    Meine Mutter lässt die Hände sinken. Sie hatte auf 80000 gehofft.
    »160000!«, lautet ein Gebot von der anderen Seite.
    Barry Guys »Five Fizzles« begleitet leise und oft disharmonisch die plötzlich ausgebrochene Auktion. Es ist erstaunlich, wie passend diese Musik als Untermalung für so eine Wohnsaal-Ausstellung ist.
    »180000!«
    »300000! Ich muss es haben!« Mintgrün ist sehr bewegt. »Es ist so tiefgreifend. Es gehört zu mir. Ich atme es.«
    »Die gesamte Serie basiert auf dem tragischen Unglück, das Alejandro mit ansehen musste. Er streicht die Tragik mit der Farbe von sich ab und stellt sie auf die Leinwand …« Meine Mutter hat die Käufer im Griff und führt sie zu einem anderen Bild. Ein Mann im schwarzen Anzug mit spitzen knallroten Reptillederschuhen stellt sich davor auf, peilt über seinen Daumen die Bilder an und wippt mit der linken Augenbraue, während er das Auge zukneift.
    Alejandro sieht mich an und zieht seine Mundwinkel einmal rund um seinen Kopf. »War ich gut, oder war ich gut?«
    »Das war maßlos übertrieben. Aber ja, es war gut«, sage ich bewundernd. Ich könnte so was niemals machen. »Ist es dir eigentlich egal, wer deine Bilder kauft? Diese Leute sind so affektiert. Die wissen doch gar nicht, was sie kaufen.«
    »Doch. Wissen sie. Sie kaufen sich ein Stück von einer menschlichen Seele. Sie haben nur keine Ahnung davon, welches Stück das ist, und wollen sichergehen, dass sie ein besonders wichtiges erhaschen. Und sie bekommen es bei mir, auch wenn es ein anderes ist, als das, was ich gerade präsentiert habe.«
    »Und außerdem willst du dein Atelier frei machen.«
    »Ganz recht, hübsche und kluge Caterina, immerhin brauche ich Platz für meine Mitkünstlerin.«
    »Ich bin nicht deine Mitkünstlerin, ich male lediglich in deinem Atelier und nehme dabei nur wenig Platz ein.«
    »Im Moment noch.«
    »Was hast du vor? Oh, Achtung, da kommt Mintgrün zurück.«
    Augenblicklich versinkt Alejandros Miene wieder in sumpftiefe Trauer. »Ich bin so dankbar dafür, dass Sie sich öffnen konnten«, sagt die Dame. »Ihre Werke werden in unserem Haus verehrt werden. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Sie sind ein großer Künstler. So viel Leid, so viel Trauer. Ich trauere mit Ihnen, mein lieber Alejandro. Da kommt nicht mal die Aufopferung eines Sergej Glitz ran.« Sie fasst ihn an den Händen und streichelt mit ihrem knotigen Zeigefinger über seinen Handrücken, während er sein erneut tränennasses Gesicht an ihres hält. Sie kichert wie ein frühreifes Mädchen.
    Er gibt ihnen, was sie wollen. Sie kriegen nicht das, was sie glauben, aber sie bekommen das Wahre. Das allein ist schon Kunst. Vielleicht hat meine Mutter recht. Ich kann zwar gut malen, aber ein Künstler dieser Art kann ich nicht werden. Mintgrün wirft Alejandro eine Kusshand zu, als sie zurück zu ihrem Gemälde geht.
    »Wer ist Sergej Glitz?«, frage ich Alejandro.
    »Sergej hatte letztes Jahr seine einzige Soloausstellung. In Saint-Tropez. Großes Tamtam. Wurde als Rohdiamant gehypt. Seine Bilder bis Ende 2007 sind vollkommen talentfrei und haben niemanden interessiert. Dann bekam er eine Lungenentzündung, ließ sie nicht behandeln, fing stattdessen an zu rauchen und malte über ein Jahr lang wie besessen. Er magerte ab und wurde zur Ikone. Einen Tag vor Beginn seiner Ausstellung brach er zusammen. Seine Vermieterin sorgte dafür, dass er ins Krankenhaus kam. Sein Agent wollte sie dafür verklagen. Wieso hast du das nicht mitbekommen?«
    »Ah, der Klassiker. Tot wäre er teurer geworden.«
    »Auch, ja. Aber interessanter ist, dass seine Bilder nach der Genesung wieder als banal empfunden wurden. Jetzt malt er gar nicht mehr. Er wohnt in Frankfurt-Sossenheim und arbeitet in einer Imbissbude.«
    »Caterina!«, schneidet es leise und hauchfein neben meinem Ohr.
    »Ja, Mutter?«
    »Sei so lieb und hilf mir doch eben in der Küche«, lügt meine Mutter mit einem Lächeln aus Damaszener Stahl.
    Wir gehen hintereinander zur Küche, die meine Mutter üblicherweise nur betritt, um kurz vor einer Feierlichkeit die Speisen und die schwarzweißen Gestalten einem

Weitere Kostenlose Bücher