Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
letzten Check zu unterziehen.
»Was sollte das?«, fragt sie mich streng.
»Was sollte was?«
»Alejandro. Wie kannst du es wagen, ihn zu so einer Posse zu überreden?«
Die blankpolierten Kupfertöpfe, die an einer Reling über dem großen Herd in der Mitte der Küche baumeln, schlagen leicht aneinander. Sie läuten die erste Runde ein. Allerdings fehlt mir im Moment die Lust auf einen Kampf.
»Du hast völlig recht, Mutter. Das war ein Fehler. Ich weiß nicht, was mir da in den Sinn gekommen ist.«
Der Deckel einer großen Keksdose aus Porzellan hebt sich und lässt sich geräuschvoll auf das Unterteil fallen. Die erste Runde geht an die Mutter. Ich senke den Kopf, meine Haare fallen rechts und links an meinen Wangen entlang. Ich weiß, dass ich damit das schuldbewusste kleine Mädchen gebe. Vielleicht ist ja doch ein Hauch von Schauspielerin an mir verlorengegangen.
Aber so ganz geschlagen möchte ich mich noch nicht geben. Einen kleinen Seitenhieb erlaube ich mir noch. Die Töpfe schlagen erneut aneinander. Zweite Runde. »Wir sollten rausgehen und diese Lügen auflösen«, sage ich. Meine Mutter atmet hörbar ein und schlägt zweimal hektisch ihre perfekten künstlichen Wimpern aufeinander. »Ich bekenne mich zu meiner Schuld. Ich entschuldige mich. Dann ist doch wieder alles gut, oder, Mama?« Einen Moment lang war ich versucht, »Mami« zu sagen, aber daran hätte sie garantiert gemerkt, dass ich mit ihr spiele. Ich bin mir nicht sicher, ob »Mama« nicht auch schon zu viel war.
Aber nein, einen Augenblick lang sieht sie mich weicher, liebevoller an. Dann geht sie einen Schritt zurück. Sie dreht sich um und klappert mit ihren Oscar-de-la-Renta-Schuhen um die Herdinsel. Sie überlegt.
»Frau Grosse?« Anna streckt ihre Nase in die Küche. Wahrscheinlich hat sie Angst um mich.
»Raus«, sagt meine Mutter, und Anna verschwindet. »Unter keinen Umständen lösen wir das auf! Wir wären in der Branche unten durch.« Die Keksdose macht einen kleinen Hüpfer, aber noch geräuschlos.
»Ich muss die Wahrheit sagen. Du hast doch vollkommen recht. Das geht so nicht. Ich bin zu weit gegangen!«
»Nein. Nein! Wir werden mitspielen. Du würdest mit der Wahrheit ja auch Alejandro brüskieren.«
Nun klingt der Deckel auf der Keksdose. Zweite Runde beendet. Es steht 1:1. Jetzt nicht aufgeben. Noch einen draufsetzen. Die Töpfe klingen die dritte Runde ein.
»Es tut mir so leid, Mama. Ich habe nicht nachgedacht. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.« Das nimmt sie mir nie ab. »Ich will doch eigentlich nur, dass du stolz auf mich bist.«
Die Absätze kommen schnell auf mich zu. Ich habe den Kopf wieder gesenkt und sehe nicht, was passiert. Meine Mutter umarmt mich!
»Ach, Kind, wir machen es uns auch manchmal schwer! Es ist ja alles gutgegangen. Die Bilder sind alle weg, nur eine Skulptur ist noch übrig, und alles zu der doppelten und sogar dreifachen Summe, die ich als Maximum angesehen hatte. Und Alejandro hat ja auch mitgespielt. Du bist nicht allein daran schuld!« Sie streichelt meinen Hinterkopf.
Ich wittere das bessere Schauspiel und schaue langsam von unten nach oben in ihr Gesicht. Es ist kaum zu fassen. Sie meint es ernst!
Die Keksdose hüpft und klirrt mit ihrem Deckel, die Kupfertöpfe schlagen aneinander, und selbst das Geschirr in den Schränken wackelt.
»Ist hier ein Fenster auf?«, fragt meine Mutter und schaut sich um. »Komm, lass uns wieder rausgehen und die Menschen glücklich machen.
Gewonnen! Sieg auf ganzer Linie. Ich kann es kaum fassen und warte noch immer auf den letzten, vernichtenden Schlag.
Wir gehen wieder in den Wohnsaal, und meine Mutter führt mich zu Alejandro. Sie wirft ihm einen strengen Blick zu, bevor sie die Arme ausbreitet und die Gäste zum Büfett einlädt. Es gibt keinen vernichtenden Schlag.
»Ich hätte damit gerechnet, dass du wenigstens mit Glatze aus der Küche rauskämst, falls dein Kopf überhaupt noch auf deinem Körper säße.«
»Na, wenn du das wirklich befürchtet hättest, hättest du das Theater nicht gespielt.«
Alejandro nimmt eine meiner Locken in die Hand, wickelt sie um seinen Zeigefinger, riecht daran, drückt ihr einen Kuss auf und sagt mit einem marianengrabentiefen Blick: »Ich hätte dich noch rechtzeitig aus der Höhle des Drachen gerettet, mi corazón.«
Er will mich zum Lachen bringen, aber ich bekomme eine Gänsehaut über meiner Wirbelsäule. Mein Kuschelbärchen sollte sich mal langsam melden.
> Caterina
< Hartmut
The
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