Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
starrt einen Moment auf mein halbleeres Trinkgefäß. Dann sieht er ruckartig auf, hebt das Glas und sagt: »Egal. Za przyjaźń! Auf die Freundschaft!« Die Männer heben Wodka. Ich hebe Wasser. Die Frauen von der Bar stehen auf und kommen zu mir. Sie umtänzeln meinen Stuhl. Die Schwarzhaarige legt ihre Hand auf meine Schulter. Jennifer Rush berührt mich mit ihrem Zeigefinger ganz sacht an meiner rechten Kotelette. Sie tupft an den Haarspitzen herum wie ein Märklin-Modellbauer, der Moos verklebt.
»Äh. Was macht die Frau da?«, frage ich Marek.
»Sie ist erstaunt«, sagt er. »Sie will sehen, was das ist – ein Mann, der nicht trinkt.«
Die Wirtin zieht ihre Freundinnen von meinem Stuhl weg, schiebt sie zur Bar zurück und schimpft leise mit ihnen, nicht, ohne sich selbst noch mal nach mir umzudrehen.
»Die Weiber lieben deutsche Männer«, sagt Marek. Die Frauen an der Bar ziehen Telefone aus der Tasche. »Sie sagen, ihr seid fleißig, und wir sind faul. Aber wir sind nicht faul, weißt du? Wir sind, sagen wir, gastfreundlich. Ja? Wir genießen das Leben.« Er hebt erneut das Glas.
Die Männer brummeln. Die Tür der Kneipe öffnet sich, und ein paar weitere Frauen kommen herein. Sie blicken auf ihre Handys und dann zu den Frauen an der Bar. Die zeigen auf mich. Marek redet weiter und verteidigt den polnischen Mann als Gattung, obwohl ich gar nichts gesagt habe: »Und was heißt hier überhaupt faul, hä? Wäre ich nicht so …« – er hebt vier Finger und verpasst dem Wort in der Luft Anführungsstriche – »faul, hätte ich nicht angehalten vorhin. Oder? Ein fleißiger deutscher Mann wäre weitergefahren. Keine Zeit, muss Geschäfte machen! Was ist, wenn alle so fleißig sind? Ich will es dir sagen: Dann liegen die Männer im Wald, weil sie keiner mitgenommen hat.«
Ich wackele mit dem Kopf: »Also, es ist jetzt auch nicht so, dass der deutsche Wald voll toter Männer ist.«
Die Frauen, die per SMS herbeigerufen wurden, um mich zu begutachten, machen Fotos mit ihren Telefonen.
»Ich war jahrelang fleißig, weißt du?«, erzählt mir Marek. »Acht Jahre lang war ich nicht faul. Und warum? Ich war verheiratet. Habe gemacht, was die Frau will!« Er reißt die Augen auf, zeigt die Zähne und hebt ruckartig beide Handflächen nach oben. Dann nimmt er die Hände wieder runter und zählt mit dem linken Zeigefinger an der rechten Hand seine Leistungen ab: »Frau sagte: Baue einen neuen Gartenschuppen. Marek baute einen neuen Gartenschuppen! Frau sagte: Pflanze Rosen. Marek pflanzte Rosen! Ich sollte sogar das Badezimmer neu kacheln. Die Kacheln waren noch gut. Nix dran. Frau sagt: Neu kacheln wegen Farbe. Sag mir, was ist falsch an einem braunen Bad?«
Ich tue so, als wüsste ich es nicht. Die Frauen kichern und vergleichen ihre Fotos. Wahrscheinlich werde ich gerade auf facebook.pl hochgeladen.
»Ich habe alles repariert«, sagt Marek. »Bis auf die Tür im Fiat. Da blieb Marek stark!« Er haut sich mit der Faust aufs Herz. Dann schaut er auf seine Armbanduhr. »Es ist so weit. Grund zum Feiern.« Er steht auf, hebt das Glas und sagt: »Na zdrowrie! Kameraden! Vor acht Jahren um genau diese Zeit habe ich geheiratet. Und jetzt? Ich bin ein freier Mann!« Die Kameraden jubeln. Marek schwenkt den Wodka.
Was soll das? Feiert er seine Scheidung? Die Frauen schütteln die Köpfe.
»Wer braucht Frau?«, johlt Marek. »Wer braucht ewiges Gack-gack-gack?« Er macht Hühnergeräusche. Dann ändert er den Gesichtsausdruck und schaut übertrieben betroffen, wie ein böser Clown, der so tut, als sei er traurig, aber eigentlich Schadenfreude ausdrückt. »Wer braucht eine kleine Tochter, die immer nur will, will, will? Papa, will haben! Papa, will haben!« Er ballt die Hände als kleine Fäuste an die Augen und macht die Tränchengeste. Ich kann es nicht glauben. Dass man nach einer fiesen Scheidung über seine Frau lästert, ist stillos, aber gerade noch akzeptabel. Aber dieser Mann verspottet vor neun betrunkenen Typen seine eigene kleine Tochter! »Wuähhh! Wuähhh!«, simuliert er das Quengeln und Plärren, von dem er endlich befreit ist. »Wolność!«, ruft er, und ich vermute, es heißt so was wie »Freiheit!«, aber selbst wenn nicht, kann es nur richtig sein, was ich jetzt tue. Ich weiß das, ich bin schließlich nüchtern.
Ich stehe auf, klopfe Marek auf die Schulter, grinse eine Sekunde und treibe ihm dann meine linke Faust trocken und schnell auf die Oberlippe. Er schreit. Drei Männer springen auf,
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