Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
das würde es nicht, weil …«
»Schatz, ist schon gut, ich hänge die Vorhänge über der Wanne auf, oder meinst du, Irmtraut hat was gegen Regen?«
»Nicht gegen Regen, aber gegen Vergiftung durch gelöstes Waschmittel …«
»Weißt du was, ich wasche die Vorhänge einfach erst dann, wenn die Stange wieder fest ist. Aber klemm bitte die Decke da zwischen Fenster und Rahmen, wenn die Stange wieder dran ist, damit es heute Nacht hier drin nicht so hell wird.«
Meine Mutter rauscht aus dem Raum.
Hartmut wäre verblüfft, könnte er mich jetzt sehen. Er hat immer behauptet, nur Männer könnten im langen Hänger stehen. Ich beweise gerade das Gegenteil. Der Vorhang wickelt sich wieder um mich.
»Willst du schon schlafen gehen? Es ist doch erst kurz nach Mitternacht.«
Meine Mutter kommt gerade aus dem »Kölsche Klüngel«. Eigentlich ist es schon fast ein Uhr. Heute hat sie spät Feierabend gemacht. Trotzdem wirkt sie noch aufgekratzt.
»Ich bin müde.«
Den Ziegel einzusetzen war schwieriger, als ich dachte. Die ganze Mauer scheint porös zu sein. Die Ziegel gehen noch, aber der Mörtel besteht nur aus trockenem Sand. Das Härteste in den beiden Löchern waren ein paar größere Kiesel. Das erklärt allerdings einiges. Ich habe in diesen Wänden schon viele Bohrer verloren. Sie drehen sich butterweich durch Putz, Mörtel und Ziegel, bis sie auf etwas richtig Hartes treffen und wie Glas brechen. Das Entfernen des losen Materials war noch leicht. Schwieriger war es, die Wand wieder wie ein 3-D-Puzzle zusammenzufügen. Es hat lange gedauert, aber jetzt sitzt alles. Was durch die Kiesel an Volumen verlorengegangen ist, habe ich mit einem größeren Holzklotz ersetzt. Die gute alte Methode, wenn gar nichts mehr in den Wänden hält. Die Tapete konnte ich gut säubern. Wenn die Wand trocken ist, kann ich sie so fein ankleben, dass man den Riss nicht mehr sehen wird. Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit, aber vollkommen geschafft.
»Komm, dann setzen wir uns noch ein bisschen vor die Flimmerkiste.«
»Du hast einen LCD-Fernseher. Da flimmert nichts mehr.«
»Ach, du weißt doch, was ich meine.«
Meine Mutter nimmt die Fernbedienung. Karl Lagerfeld spricht mit Markus Lanz. Schnell, nuschelig und abgehackt. Ich verstehe ihn nicht und setze mich auf die Couch.
»Da hat der mal recht. Diese Castingshows sind doch wirklich vollkommen unmenschlich.« Meine Mutter ist geübt, schlechte Sprecher zu verstehen. Das bringt der Job in der Kneipe mit sich. »Das ist ja so ein jecker Mann! Den bewundere ich irgendwo.«
»Markus Lanz?«
»Wen?
»Den Moderator?«
»Ach, da ist noch ein Moderator. Nein, natürlich nicht. Ich meine Karl! Der ist ja hochamüsant. Ich habe mich mal eine halbe Nacht lang mit ihm im ›Papa Joe’s‹ unterhalten. Da hatte er noch schwarze Haare.«
Das ist nicht erfunden. Meine Mutter hat schon mit mehr Promis gesoffen, als in den letzten 23 Jahren auf Thomas Gottschalks Wetten, dass -Sofa saßen.
Meine Mutter zappt auf das nächste Programm. Mitten im Satz von Markus Lanz. Der Mann ist die personifizierte Souveränität, und meine Mutter nimmt ihn nicht mal wahr.
Das RTL-Nachtjournal zeigt Luftaufnahmen der Atomkraftwerksanlage in Fukushima. Erschütterte Stimmen reden darüber. Die Pflanzen im Wohnzimmer meiner Mutter weichen zurück. Meine Mutter zappt weiter.
»Das wollen wir nicht sehen.«
»Vom Wegzappen geht es aber auch nicht weg.«
Bei QVC werden Plastikschüsseln verkauft. Sie stellt den Ton ab.
»Die Japaner gucken auch nicht hin.«
»Wie kommst du denn darauf? Die leben da, die kriegen das doch mit.«
»Ach, im eigenen Land kriegt man gar nichts mit. Anfang 1989 habe ich doch den Ami kennengelernt, den Michael Miller. Du weißt schon, der Sportfotograf. Der hat mich damals gefragt, ob ich Verwandte in der DDR hätte, weil die ja bald aufgelöst würde. Davon hat der einfache Mensch hier in Deutschand nicht mal im Ansatz was geahnt. Ich habe ja auch direkt gelacht und bin im September aus allen Wolken gefallen. Wie alle anderen. Wir haben erst im Sommer ’89 die Anfänge von Änderungen in der Ostblockpolitik mitbekommen und geschätzt, so in zwanzig, dreißig Jahren könnte die DDR ein von der Sowjetunion unabhängiges Land werden. An Wiedervereinigung hat doch niemand auch nur im Traum gedacht. Aber im Ausland wussten sie schon ein halbes Jahr vorher, worauf es hinauslaufen würde! Ein halbes Jahr!!! Die da oben halten ihr Volk immer so dumm wie möglich! Deswegen
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