Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
flüssiger Dreck?«
Herr Kau windet sich unter meinem Urteil. »Ja, nein, so kann man das auch nicht sagen. Udo … also, der ist außergewöhnlich. Er ist … Ihre Mutter bringt mich um … also, er ist ein ordentlicher Messie.« Er atmet laut aus. »Jetzt ist es endlich raus. Die Wohnung ist nicht mehr so gut zu vermieten. Wir haben sie ja halbiert, und die eine Hälfte mit unserer Wohnung im ersten Stock verbunden. Die andere Hälfte ist nun klein und hat keinen Balkon. Das vermietet man nicht so leicht. Dafür muss Ihre Mutter doch Verständnis haben.«
»Ich weiß nicht. Was ist denn da überhaupt genau drin?«
»Udo sammelt in einer Flasche Proben seines Spülwassers von einer Woche. Da kommen im Jahr lediglich vier Kästen zusammen. Aber er ist sauber und ordentlich. Und seine Wohnung auch.«
»Meine Güte, wie lange macht er das denn schon?«
»Also, der Keller ist gut zur Hälfte gefüllt …«
»Wie bitte? Und Sie hoffen, dass meine Mutter das durchgehen lässt? Sie kennen doch das Gesundheitsamt! Meine Mutter verkauft hier im Haus Getränke und Speisen!«
»… aber ganz ordentlich gestapelt. Ja, ja, ich weiß, aber Ihre Mutter spült doch auch. Und Udo will …«
Ich frage mich, was das soll. Sicher: Herr Kau braucht dringend einen Mieter, aber wir sind hier in Köln! Da lässt sich auch eine halbierte Dachkammer ohne Balkon erfolgreich vermieten, ohne dass man gleich einen Spülwassersammler ins Haus holen muss.
»Ich habe Kopfschmerzen und brauche Brötchen«, unterbreche ich unseren Vermieter. »Und Sie brauchen eine bessere Taktik, um Udos Hobby zu erklären.«
»Liebes, wenn du gleich den Abfall runterbringst, dann schau doch mal im Keller nach dem klemmenden Keg-Anschluss am Fass zwei, nachdem du dir die Hände gewaschen und in der Küche unten die altbackenen Endstücke in warmes Wasser gelegt und die Schüssel abgedeckt hast.«
Meine Mutter ist munter, obwohl der Zahnarzt zwei Stunden an ihr arbeiten musste, bis die Krone wieder saß. Wahrscheinlich lag die Nettoarbeitszeit bei fünf Minuten und die restliche Zeit wurde verplaudert. Oder vielleicht ist er auch einfach nur gründlich.
Auch mir geht es wieder besser. Die Rollmopsbrötchen waren köstlich und haben meine Kopfschmerzen mit jedem Bissen weiter aufgelöst. Beim Essen habe ich noch ein wenig über die Beweggründe unseres Hausbesitzers spekuliert, einen Abwasserfetischisten als Mieter zu tolerieren, bin aber nicht weit gekommen.
»Ach, sei doch so gut und würfle anschließend noch so sieben, acht große Zwiebeln«, sagt meine Mutter.
Ich warte noch, aber das war es wohl. Dann gehe ich zur Wohnungstür und öffne sie. Vor mir steht ein Mann Mitte dreißig, mit der Hand einen Zentimeter vor der Klingel. Nicht ganz so muskulös und etwas größer als der von heute Morgen. Also ein anderer Mann. Ich kenne ihn nicht. Er lässt seine Hand sofort wieder runter, lächelt breit und hält mir eine Flasche Weißwein vor die Nase. Wittmann Riesling Morstein Auslese. Mit Bio-Siegel. Nicht schlecht.
In der Hand, die zuvor vor der Klingel in ihrer Bewegung stoppen musste, befindet sich nun ein riesiger gelber Blumenstrauß. Rosen, Margeriten, Narzissen, Tulpen, eine Sonnenblume, alles in unterschiedlichen Gelbtönen, dazwischen dunkelgrüne Heidelbeerzweige mit winzigen kleinen kugeligen weißen Blütchen, gebunden mit einem grobgewebten Juteband. Mitten im Strauß steckt eine kleine, dicke, gelb-schwarz gestreifte Plüschbiene.
Ich muss schlucken. Sofort habe ich Lisas Kostüm vor Augen und wende meinen Kopf zu Seite. Der Mann nimmt das als Aufforderung hereinzukommen und geht auf meine Mutter zu.
»Ich bin Ihr neuer Nachbar, der Udo. Ich wohne jetzt über Ihnen und wollte mich nur kurz vorstellen. So viel habe ich schon von Ihnen gehört, Frau Lehmann«, sagt er mit einem so breiten Grinsen, dass sich seine Mundwinkel am hinteren Schädel begrüßen. Er hält meiner Mutter die Blumen und den Wein hin. »Ich freue mich schon auf gute Nachbarschaft.«
Meine Mutter wirft einen Blick auf den Wein und dann auf Udo.
»Guten Tag, Herr Udo. Dann setzen Sie sich doch. Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten? Ein wundervoller Wein. Exzellentes Weingut und hervorragender Jahrgang. Danke schön!« Meine Mutter nimmt die Blumen, schnüffelt daran, sagt: »Ahhh, da kommt Frühling ins Haus«, und schneidet sie an.
»Nein, danke, ich komme aber gern mal darauf zurück«, sagt er, während er in seine Jackentasche greift. »Es ist
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