Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
wissen die Japaner auch nicht, wie schlimm es um sie steht.«
»Ach, doch nicht im Internet-Zeitalter.«
»Die Menschen glauben das, was ihr vertrauter Nachrichtensprecher mit ernster Miene im öffentlich-rechtlichen Kanal sagt. Nicht das, was ein pickeliger Teenager in seinem Blog so beschreibt, als seien es Verschwörungstheorien.«
Ich bin zu müde, um ein plausibles Argument gegen ihre Thesen zu finden. Aber Hartmut würde es genauso sehen.
Markus Maria Profitlich hält sein Gesicht in die Kamera. Dann flimmert ein »gleich« über den Bildschirm. Meine Mutter macht den Ton wieder an. Wir sehen einen Sechserpack -Sketch. Kurz vor der Pointe schaltet meine Mutter um auf eine riesige Schlange auf Pro7, die irgendetwas runterwürgt. Ich nehme mir die Fernsehzeitung und sehe nach. Anaconda 4 . Da kommt gleich auch noch Cloverfield . So lange werde ich hier nicht mehr sitzen. Eine Neun-Live-Quizshow blitzt auf und endet bei Castle .
»Muss das sein?«
»Was denn, Schätzchen?«
»Dieses ewige Zappen.«
»Ich muss doch gucken, was woanders läuft.«
»Du könntest auch in die Zeitung schauen.«
»Das langweilt mich. Aber die beiden hier, die sehe ich gerne.« Sie zeigt auf Nathan Fillion und Stana Katić. Mein Augen schließen sich.
»Das ist eine Wiederholung. Die Folge kenne ich schon.« Sie zappt weiter.
»… offen sein. Auch Ihr dreijähriges Kind merkt bereits, dass Fukushima Sie betrifft. Aber erklären Sie es altersgerecht. Und nehmen Sie das Kind in den Arm, wenn …«
Meine Mutter macht den Fernseher aus.
»So, Liebes. Ich gehe jetzt schlafen. Wenn du willst, kannst du ja noch was gucken, aber ich bin so richtig müde. Schlaf schön, meine Süße.«
Sie weht aus dem Raum.
Ich fühle mich schwer wie ein Sandsack. Die Kissen auf der Couch stopfen sich unter meinen Rücken und heben mich langsam hoch.
Udos Spülwassersammlung kommt mir in den Sinn. Ich greife den Gedanken und stelle mir vor, was meine Mutter sagen wird, wenn sie davon erfährt. Ich lächle. Das gibt mir genug Kraft, um den Weg auf meine Liege zu finden.
> Susanne
< Ich
Peperoni im Ohr
16. 03. 2011
51° 33′ 44.80″ N, 7° 15′ 30.92″ E
»Boah, du Ferkel!«, schimpfe ich, und Yannick versteckt sich unter dem Bett. Es ist halb sechs Uhr morgens, ich muss zur Frühschicht und habe eben meinen Fuß in einen Schuh geschoben, in den der Kater reingeschissen hat. Über Nacht hat die angetrocknete Außenkruste des Haufens die Geruchspartikel umschlossen, aber jetzt, wo ich das weiche Innere aufgetreten habe, schießen sie richtig schön raus.
»Das muss doch alles nicht sein, ehrlich!«, fluche ich, stopfe die Socke in den Mülleimer und wasche den Schuh in meiner Badbox heiß aus. Es ist mein einziges aktives Paar. Ich schrubbe mit Spülmittel. Zitrone gegen Katzenscheiße. Ich weiß ja, warum Yannick das macht. Ich fordere ihn zu wenig. Früher haben wir ihm in der WG Kletterlandschaften an die Decke gebaut, damit die Umgebung spannender wurde. Die WG war groß. Das Wohnheimzimmer ist ein Schuhkarton dagegen, und der ist für den Kater auch noch reizlos. Da ist Zielscheißen in Vaters Schuhe schon eine echte Herausforderung.
»Alter Falter!«, sagt Martin, als ich den Pausenraum von UPS betrete. »Was stinkt denn hier so?«
»Ich riech nix.«
Martin stülpt die Lippen auf und nimmt es hin. »Eisenpimmel war der Hammer«, sagt er. »Vorbands waren Piratenpapst und Scheiße Minelli. Du weißt nicht, was du verpasst hast.«
Ich nehme einen Kaffee aus der Kanne, die in der Maschine steht, und nippe an der Tasse. Stark wie eine Ölpest.
Stolle erscheint in der Tür, klatscht in die Hände und bellt: »So, Hanni und Nanni. Runter mich euch und den Arsch ans Band!« Er guckt böse, aber ich sehe ihm an, wie froh er ist, dass ich wieder hier bin. Seit Monaten fragen er und Martin mich aus, was ich die zwei Jahre vor meiner Rückkehr getrieben habe. Ich gebe nur kurze Antworten. Hauptwörter wie »Hohenlohe«, »Waldwandern«, »Autobahn« oder »Berlin«. Ich will einfach keine Geschichte erzählen, die so schlecht endet. Martin und ich steigen hinter Stolle die Gittertreppe hinab und laufen zum Fließband. Wir beladen als Reloader einen großen LKW mit den Paketen, die uns die Preloader an der anderen Seite des Bandes aus den braunen Transportern aufs Band schieben. Gleich pflücke ich aus dem Strom die Sachen mit den Postleitzahlen für unseren Truck und werfe sie rauf zu meinem bizepsbepackten Kollegen, der aus
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