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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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dafür eben ein geflügeltes Wort auf Kölsch gibt: dä Kölsche Klüngel!
    »Jo, wenn dat esu es …«, sagt ein blonder Haarschopf.
    »Do kann mer nix maache«, antwortet ein Mann an der Theke und leert ein frisches Kölsch in einem Zug, als wenn da nur noch Alkoholismus helfen würde.
    Unterhalb der Haare zucken Schultern. Zu viele Schultern.
    Herr Thier lächelt. »Wir können eine Seite retten. Und nach meinem jetzigen Kenntnisstand befinden sich auf unserer Seite weitaus mehr Altbauten. Teilweise noch vor dem Krieg erbaute, denkmalgeschützte Gebäude wie das hervorragende Schmuckstück, in dem wir uns dankenswerterweise gerade versammeln dürfen, teils auch Häuser, die direkt nach dem Krieg gebaut wurden. Diese Kombination prägt das Weidenpescher Stadtbild. Auf der linken Seite sind dagegen in den letzten Jahrzehnten viele Betonbauten hochgezogen worden. Die Stadtväter können nicht wollen, dass diese das neue Weidenpescher Stadtbild prägen. Wir haben also gute Karten, dass die Linke weichen muss, damit das Vorbild durch die Rechte gewahrt bleiben kann!« Herr Thiers Finger machen bei dieser Argumentation eine Bewegung, als würden sie einen Sack zuschnüren.
    Nicht nur mir schwirrt der Kopf. Was soll denn dieser schofelige Mist? Außerdem würde der Sieg einer Straßenseite mit jahrelangem Baulärm und anschließend vermehrtem Straßenverkehr belohnt werden. Das ist doch nicht erstrebenswert!
    »Enääää! Esu geiht et ävver nit! Mir sin all Wiggepescher Jungs un Mädcher. Ov linke sigg ov räächs – wat för en Roll spillt dat ald?! Mer müsse för ganz Wiggepesch kämfe!« Trudes Wangen leuchten wie LED-Rücklichter. Linke oder rechte Seite, genau – wir müssen für ganz Weidenpesch kämpfen!
    Ein Mann mit weißblondem Haarschopf neben ihr steht auf und legt seine Hand auf Trudes Schulter. Sie setzt sich. Er bleibt stehen. Es ist Rick. Seine Augen sind vollkommen unter Kontrolle. Nun sehe ich auch die Gesichter der restlichen Leute vom Stammtisch. Wenn man sie aufschneiden und leicht pressen würde, käme wahrscheinlich prima Zitronensaft heraus. »Was reden Sie denn da, Herr Thier? Sie können doch nicht einfach hierherkommen und Kölner gegen Kölner hetzen. Sind Sie etwa Düsseldorfer, oder was?« In Herrn Thiers Gesicht gibt es eindeutig eine echte Regung. Es war aufblitzender Zorn. Nein, Düsseldorfer ist er sicherlich nicht. »Wir werden gegen den kompletten Ausbau protestieren«, ruft Rick. »Es ist vollkommen egal, ob die Stadtplaner oder Stadtväter oder Herr Budde oder sonst irgendwer schon etwas anders geplant haben. Wir ketten uns an die Abrissbirnen und die Bagger, wenn es nötig sein sollte. Wir sind gegen alles!« Der letzte Satz bricht aus Rick heraus wie ein Findling aus einem Gletscher.
    »Gegen alles! Gegen alles! Gegen alles!« Der gesamte »Kölsche Klüngel« gerät in Bewegung. Wie zuvor Verwirrung herrscht nun Euphorie.
    Herr Thier hebt erneut beschwichtigend die Arme. Die Haare sinken wieder einen halben Meter tiefer. »Herr Muller«, sagt Herr Thier, »lassen Sie mich doch aussprechen. Ich wollte sagen, dass wir selbstverständlich nicht gegen unsere eigenen Nachbarn vorgehen können, auch wenn diese es so machen. Wir sind Köln, und Köln ist katholisch. Somit steht der christliche Grundsatz der Nächstenliebe an oberster Stelle, und wir kämpfen auch nicht gegen unsere Brüder.«
    »Da hatte die kleine Frau da vorn wohl recht: Der Mann ist ein Opportunist«, flüstert mir eine bekannte Stimme ins Ohr. Als ich mich umdrehe, blicke ich direkt in zwei unverschämt nahe hellblaue Pupillen.
    »Hallo, Udo. Wieso bist du denn hier hinten? Du warst doch ursprünglich Gastgeber dieser Veranstaltung.«
    »Hm. Wenn ich das so sehe, bin ich deiner Mutter noch eine Portion extra dankbar, dass sie die Kneipe vorgeschlagen hat. Der Thier schien eigentlich recht vernünftig, und es war bislang nie die Rede davon, dass nur eine Seite gerettet werden soll. Aber die anderen hätten doch merken können, dass nur Nachbarn von ihrer Seite eingeladen wurden.«
    »Ach, da achtet man doch nicht drauf«, sage ich und höre Herrn Thier weiter zu.
    »… und so sollten wir nun dazu schreiten, ein Gremium zu wählen, das den exakten Wortlaut unserer Forderungen erarbeitet. Anschließend bitte ich alle Anwesenden, sich in die Bürgerinitiativengründungsliste mit Vorname, Nachname, Adresse, Telefonnummer und Mail-Adresse einzutragen. Sobald wir einen nach unserem Kenntnisstand akzeptablen

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