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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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hinterlässt dabei Katzenhaare, als würde er sich mausern. Ist der Blick auf den Monitor nicht gerade durch seinen Körper versperrt, sprenkeln die schwarzen Haare die Sicht wie feine Fäden, die vom Wind aufgewirbelt werden.
    »Jetzt geh doch mal weg«, meckere ich und schiebe den Kater zur Seite, meine flache Hand an seinem Hintern. Er dreht den Kopf, als wolle er sagen: »Dir ist schon klar, dass ich jetzt auf Knopfdruck deine Hand vollsauen könnte?« Ich seufze, hole ein Kissen vom Bett, lege es neben den Laptop und klopfe es einladend platt. Der Kater schaut aus dem Fenster, als müsse er sich das noch mal ganz genau überlegen. Dann dreht er sich auf dem Kissen dreimal um die eigene Achse und lässt sich daraufplumpsen. Er schließt die Augen, wartet und legt schließlich die rechte Pfote auf die Tasten Entf/Untbr und Pos1 .
    Ich lese Hartmuts Post. Er ist in Frankreich, auf dem Campingplatz zu den großen Pinien, unserer alten Urlaubsheimat zu Abiturszeiten.
    Er schreibt, er will Demut lernen. Das kann nicht verkehrt sein, wenn man bedenkt, dass er früher ganzen Stadtvierteln Strom und Wasser abstellte, um sie im Sinne seiner Gesellschaftsutopie zu erziehen. Er schreibt mir ausführlich und erwartet nun, dass ich es auch tue. Bleibe ich jetzt kurz angebunden, wird er sich Sorgen machen, weil ich etwas verheimliche, und gegen alle Abkommen herbeieilen, um mich wieder unter die Leute zu bringen. So war er immer. Er rettet mich, wenn ich verloren bin. Als ich in der Schule in die Oberstufe kam, keine echten Freunde hatte und auf den abgeklappten Stofffetzen seiner uralten Hummel-Jacke starrte, hat er sich umgedreht und sich vorgestellt. Als ich nach dem Abitur nicht wusste, wo ich wohnen sollte, und alles danach aussah, als würde meine Trägheit mich in der Hochhauswohnung meiner Mutter halten, hat er vorgeschlagen, dass wir eine WG gründen. Ich weiß noch genau, wo; es war nachts, in der Hocke auf dem Pflaster vor einem Kiosk, ein Bier in der Hand. Als Caterina in unser Leben trat und ich Angst hatte, nach meinem Glück zu greifen, hat er mir Mut gemacht. Wenn er lesen würde, dass ich wieder in Bochum bin und mich von hundertzwanzig auf siebzehn Quadratmeter verschlechtert habe, würde das schon reichen. Das riesige Firmengelände unseres Taxiunternehmens in Berlin möchte ich gar nicht erst mitzählen. Er würde kommen, mich in der Nacht aus dem Wohnheim schleifen und vor der Umsiedlung in ein Hotel mit mir auf ein Konzert fahren. Er hätte Besseres anzubieten als Köterkacke oder Eisenpimmel. Bis in die »Fabrik« in Coesfeld oder den »Schlachthof« in Wiesbaden würde er mich schleppen, weil dort die Dropkick Murphys oder Lagwagon spielen. Er würde mich in den Moshpit zerren, reichlich Bier spendieren und mich zwingen, alle Refrains mitzugrölen. Und so reizvoll sich das gerade anfühlt – ich höre ja schon die Lieder in meinem Kopf und rieche den Jungmännerschweiß in den bedruckten T-Shirts –, so sehr hätte ich ein schlechtes Gewissen dabei. Ich kann doch nicht auf der Titanic aus meinem Rattenloch kommen und ein Deck höher fröhlich mit den trinkfesten Iren tanzen, während zwischen mir und meiner Süßen hoch oben in den teuren Quartieren immer noch Funkstille herrscht. Ich muss Hartmut also eine eigene Geschichte erzählen. Aber welche? Ich schaue auf den Fernseher. Auf dem Bürgersteig gegenüber meiner Tuningwerkstatt unterhält sich eine junge Frau mit einem Mann. Sie trägt weiße Shorts, wie eine Tennisspielerin. Es wirkt tatsächlich, als führten diese Figuren in der Konsole ein eigenständiges Leben.
    »So wird man, wenn man nie rausgeht«, hat Mario geschrieben. Der Klappmonitor berührt sachte die Kartonstapel. In wenigen Stunden muss ich die nächste Pizza bestellen.
    »Weißt du was?«, sage ich zu Yannick, »ich gehe jetzt mal raus zum Altpapier. Ich muss sowieso überlegen, was ich Hartmut schreibe.« Yannick öffnet die Augen und schielt auf die kleinen Zeitziffern, die auf dem Monitor direkt neben seiner auf Entf/Untbr und Pos1 abgelegten Pfote flimmern. Er steht von seinem bequemen Kissen auf, springt vom Tisch und kratzt am Kleiderschrank.
    »Lass das.«
    Er kratzt weiter. Ich ziehe zwei Kartons aus der ersten Säule, damit sie sich von der Decke löst, lege zehn, zwanzig Kartons auf den Boden und stelle mich drauf, um das Volumen zu verringern. Yannick versucht weiter, die Schiebetür des Schrankes aufzustemmen.
    »Du darfst jetzt nicht in die Höhle!«
    Er hört auf,

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