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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Sie sind eingeschlafen. Ohne dass sie den Fußraum berühren, lege ich sie wieder auf die Rückbank, drehe mich in die Embryonalstellung und quetsche mir meinen Rucksack als Kissen unter die Wange.
    »Ja, gut«, sage ich, sehe hinaus und stelle mir vor, die polnischen Kiefern wären sibirische Tannen. Dann schließe ich die Augen.

    Ich wache auf, als der Wagen hält. Ein Gähnen treibt meine Kiefer auseinander. Es kribbelt in der Nase und brennt in den Augen. Khaled schaltet den Motor aus.
    »Toilette. Du auch?«, sagt er und öffnet die Tür.
    Ich richte mich auf und sehe Autos, die links vom Parkplatz mit Tempo vorbeirauschen. Wir sind bereits auf der Autobahn. Ein Rastplatz mit Waldstück. Ich öffne die Hintertür, schwinge meine Beine auf den Asphalt und folge Khaled ins Gebüsch, denn das Gestrüpp ist die Toilette. Obwohl wir nur zum Pinkeln zwischen die Sträucher schleichen, schreitet Khaled so würdevoll daher, wie ich es noch bei keinem Mann gesehen habe. Sein Rücken ist gerade, und seine Hüften sind nach vorn gedrückt, ohne dass es militärisch aussieht oder ihm Mühe macht. Im Gegenteil. Seine Haltung drückt die maximale Gelassenheit eines Mannes aus, der den Raum beherrscht, ohne sich dafür anstrengen zu müssen. Mr. Lover Lover und Vorstandschef zugleich, Monarch und Maestro. Er hat eine Aura, so gelassen groß wie der Gesang des Venezolaners, der quer durch die Anden schallt. Khaled ist knapp zwei Meter groß, aber selbst, wenn er es nicht wäre, trüge er seine Schultern, sein Kinn und seine Nase höher als jeder andere, ohne dabei hochnäsig zu sein. Er schaut nicht auf die Menschen herab, er hat einfach nur den Überblick über die Welt. Man müsste ein neues Wort dafür finden. Weltnäsig vielleicht.
    Ich stelle mich neben ihn und kann nicht anders, als kurz einen Blick auf sein Gemächt zu werfen, als ich sehe, wie sein kräftiger Strahl selbst kleine Bäume abknickt. Schnell schaue ich wieder auf mein eigenes Geschlecht, das ein trauriges Rinnsal in die polnische Fauna tröpfelt. Khaled zieht seinen Reißverschluss zu und hält sein Telefon ans Ohr, da er schon wieder angerufen wird.
    »Ja?«, sagt er, auf Deutsch, als er aus dem Gebüsch stapft und sich auf das Gestrüpp konzentriert. »Vögelchen fliegt? Hm. Habe Idee. Beruhigt euch. Khaled kümmert sich.« Dann wechselt er wieder zu seinem »Bae! Bae!«, hört nur zu und schaut ab und an zu mir herüber.
    Ich packe mein unterlegenes Gemächt wieder ein und ästele mich aus dem Busch. Als Khaled mit dem Telefonieren fertig ist, hebt er die Hand. Ein polnischer LKW-Fahrer, der soeben aus seiner Kabine gestiegen ist, während sein Laster noch Pressluft auspfeift wie ein schnaubendes Pferd, kommt auf ihn zu.
    »Khaled!!!«, ruft der Mann, als seien sie alte Freunde.
    »Tomasz!«, erwidert Khaled, zeigt auf den Trucker und sagt: »Tomasz ist großer Bandit.« Er umarmt den Mann, der etwas erwidert, sie wechseln ein paar Worte auf Polnisch oder Russisch, ich weiß es doch auch nicht, dann sagt Khaled: »Gut, kleiner Bandit. Kleiner Bandit. Mittlerer Bandit!« Er knufft ihn an der Schulter. Der Mann wirkt zufrieden. Mit »mittlerer Bandit« kann er leben.
    Wie kann Khaled einen beliebigen polnischen Trucker kennen, der zufällig in der Pampa zum Pinkeln pausiert? Nach ein paar letzten Worten sind die Männer fertig und geben sich die Hand. Wir steigen wieder in den Wagen. Khaled setzt sich ans Steuer und lacht. Ich krabbele auf die Rückbank. Dieses Mal ziehe ich meine Schuhe aus, bevor ich die Füße auf das Polster lege. Ich bin nicht mehr auf der Flucht, wo alles eine hektische Ausnahme ist. Ich wohne jetzt hier, vorerst, da sollte ich mich benehmen. Khaleds Handy bimmelt. Er ist ein sehr gefragter Mann. Er spricht, während er den Wagen anlässt, klemmt sich das Handy ans Ohr, holt einen Block mit Stift aus dem Handschuhfach und notiert sich etwas, während er den Wagen mit den Knien vom Rastplatz zurück auf die Autobahn lenkt. Sein Schulterblick ist flüchtiger als der Flügelschlag einer Mücke.
    »Warum du reist allein?«, fragt er mich, als er mit seinem Gespräch fertig ist. Seine großen Augen fixieren mich im Rückspiegel. Man kann Khaled nicht anlügen. Man kann ihm manche Dinge erzählen und manche eben nicht, aber lügen ist bei diesen Augen unmöglich. Ich will nicht über die Wahrheit reden. Ich kann nicht. Also erzähle ich ihm lediglich, dass es da zwei Paare gibt, die voneinander Pause machen und dass keiner mit keinem

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