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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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nach der Geburt seines Sohnes wollte er das erste Mal mit mir Sex. Er war aufgewühlt und hätte impulsiv seine ganze Ehe aufs Spiel gesetzt. Ich hatte ihn zu gern und lehnte ab.
    »Dem Mariellche singe Sonn … Enä, nit dä Jupp. Dat wor dem Mariellche singe Kääl. Enä, dä Sonn! Dat Chresskind, dä Jesus. Dä hät gesaht, do solls dinge Nöchste esu leev han wie dich selvs«, schreit es aus der offenen Bahntür in die Eifelstraße. Die Frau schaut von ihrem Express zu der Quelle des herzhaften Ausspruchs, lächelt und liest weiter. Schmucklose Nachkriegshäuser mit zarten Pastelltönen stapeln sich an den Rändern der Straßen. Hier musste ich aussteigen, um zu meinem Ausbildungsplatz als Feinwerkmechanikerin zu kommen. Eigentlich gibt es drei Fachrichtungen für diese Ausbildung, aber das scherte meinen Meister nicht. Er fand, ich müsse alles können: Maschinenbau, Feinmechanik und Werkzeugbau. Und nach Feierabend ging es an die Reparatur der Firmenwagen.
    »Däm Mariellche singe Sonn … jo, dat Chresskind, dat hät gesaht, zwei Hääre op eimol kann nümmes deene!« Er schaut mir kurz in die Augen. Dann kramt der Mann in den Plastiktüten, bis sie einen verblichenen Kulturbeutel ausspucken. Der Reißverschluss wehrt sich bis zum Barbarossaplatz.
    Ich schaue zum Beginn der Luxemburger Straße. Wenn man einmal dort ist, wird die Nacht immer lang. Die Namen der Kneipen wechseln flott, wenn man vom »Blue Shell« absieht, einer Muschel in der Brandung.
    Der Mann im schmuddeligen Mantel nimmt eine Nagelschere und ein Tuch. Ich höre, wie sich die Schere durch seine harten langen Nägel beißt und die Stücke am Tuch abprallen. Eine saubere Sache. »Däm Godd singe Sonn, eja, och dat Chresskind, dat es vun däm Johannes singem Verzäll, dä hät gesaht, dä Jesus es för et Pessahfest geschlaach woode, anstatt fun enem Schof. Esu kann et kumme met däm Fiere. Do muss mer ööntlich oppasse!« Er nickt traurig, während er den letzten Fingernagel kurz nach dem Basic-Biosupermarkt am Zülpicher Platz, als die Bahn langsam in den Untergrund fährt, abschneidet.
    Am Rudolphplatz steigt das junge Pärchen aus. Ihre verschlungenen Hände streben in Richtung Ausgang. Oben wacht die imposante Hahnentorburg in gewohnter Weise über Recht und Ordnung.
    Der Express liegt nun im Schoß des Glencheck-Kostüms. Brötchenkrümel verfangen sich in den Buchstaben.
    Der Mann mit der fleißigen Körperpflege rückt sich im Sitz zurecht, legt ein Bein über das andere und öffnet die Schnürsenkel seiner schweren Arbeitsstiefel. Er zieht den Schuh und eine perfekt saubere Socke aus. Er legt auch hier das Tuch sorgfältig um den Fuß und fängt an zu schneiden.
    Die Frau im Kostüm isst ein zweites Brötchen.
    Als wir am Friesenplatz ankommen, steigt ein junger Mann in Radlerkleidung, mit Fahrrad auf der Schulter, ein. Ich sehe ihm kurz nach, denn seine rötlichen Koteletten machen Anstalten, eines Tages zu Korkenziehern zu werden, wie Hartmut sie trägt. Noch liegen sie brav an. Er hat sie getrimmt, wie seine strammen Waden. Er setzt sich ein paar Reihen hinter mich. Kurz darauf höre ich die klackernden Geräusche einer Handytastatur.
    Kurz vor der Haltestelle Christophstraße wird mir bewusst, dass ich dort noch nie in meinem Leben aus- oder eingestiegen bin. Vielleicht sollte ich jetzt einfach mal …? Zu spät. Es geht weiter zum Hansaring.
    Die Nagelschere wandert zurück in den Kulturbeutel. Ein Kamm kommt zum Vorschein. Die Pflege geht weiter. Erst der Bart, dann der Kopf.
    Auf dem Bahnsteig stehen mehr Menschen. Viele tragen orange Plastiktüten. Für die Schüler mit Scout-, Chiemsee- und 4You-Rucksäcken ist es noch zu früh. Ich stelle mir vor, welchen Schulrucksack Lisa wohl gerne getragen hätte. Ich sehe sie vor mir stehen, im Laden. Mit großen Augen hält sie mir ein Modell von Hello Kitty! entgegen. Ich seufze, berühre sie an der Schulter und zeige mit Nachdruck auf das Regal mit den Taschen von Cars .
    Hier, am Hansaring, bin ich fast acht Jahre lang fünf Tage in der Woche ausgestiegen. Für die meisten ist dieser Ort zum Synonym für Saturn geworden. Für mich bleibt er es für das Hansagymnasium. Ein phantastisches Gebäude, über das ich immer wieder gerne den Blick schweifen lasse. Tauben nisten in den alten Erkern der ehemaligen Handelshochschule. Runde Bögen, hohe Decken, lichtdurchflutete Räume. Die Steinfliesen der Böden waren immer zu glatt für schicke Schuhe.
    »Se sie nit, se ernte nit, ävver de

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