Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Ich sage nicht viel und halte mich im Hintergrund, aber warum geschieht so was immer in meiner Umgebung? Das geht doch nie gut aus! Ich bin müde.
Ich hänge ein paar Bilder von Irmtraut in ihrem neuen Heim an. Sieht sie nicht richtig glücklich aus? Die Süße, die weiß nichts von Politik.
Sorry, aber ich habe keine Ahnung, wie es Yannick geht.
Deine Susanne
> Susanne
< Ich
Nestors Nickhaut
18. 03. 2011
51° 25′ 13.60″ N, 7° 14′ 37.35″ E
Eine Acht.
Ich komme von der Arbeit heim, und Yannick hat eine Acht gekackt. Da liegt sie, mitten im Zimmer, zwischen Schreibtisch, Bett, Regalen und Schrank. Sein Schließmuskel hat die zwei, drei langen Würste, die normalerweise im Katzenkasten landen würden, in so viele winzige Klümpchen unterteilt, dass es für das Legen der Ziffer gereicht hat. Stolz sitzt er daneben auf den Hinterbeinen, die Vorderpfoten symmetrisch vor sich abgestellt, mit ägyptisch geradem Rücken. Ich betrachte das Kunstwerk eine Weile, ziehe mein Handy aus der Hosentasche und fotografiere es, bevor ich mir die Küchentuchrolle hole und Klümpchen für Klümpchen aufhebe. Dann gehe ich ins Internet.
»Das geht so nicht weiter«, sage ich, und Yannicks Ohren zucken, während ich die Suchbegriffe »Katze«, »Hyperintelligenz« und »Langeweile« eintippe. Ein Forum über das Leben mit Hochbegabung vergleicht die Situation der besonders schlauen Menschen mit der Einsamkeit eines Hundes, der unter Katzen leben müsste. Ein Vergleich, den ich eher umgekehrt aufstellen würde. Ein Zooversand will mir Spielzeug verkaufen. Die Webseite schnurren.de betont die herausragende Klugheit von Bengalkatzen. Ich setze dazu an, neue Suchwörter auszuprobieren, als mir am untersten Bildschirmrand ein Name ins Auge fällt. Slepitzka. So hieß früher unser Stammtierarzt. Obwohl wir in Bochum lebten, nahmen wir immer den weiten Weg nach Düsseldorf in Kauf, wenn Yannick wegen irgendwas untersucht werden musste. Dr. Slepitzka hatte seine Praxis in der Landeshauptstadt. Er war der beste aller Veterinärmediziner, die ruhige Hand des Westens. Ich klicke auf den Treffer in der Google-Suche, und es öffnet sich eine Animation, in der sich aus den Abdrücken von Katzenpfoten langsam die Einstein’sche Formel e=mc 2 ausbildet. Yannick fiept. Die Formel verschwindet und gibt die Startseite frei: Alles für die Katz! lautet der Slogan. Patentierte Stimulation nach Slepitzka . Das ist er. Unser ehemaliger Tierarzt! Er hat eine Art Zentrum für artgerechtes Austoben gegründet und verspricht: Schon wenige Besuche bei uns befreien das Tier von 90% aller bekannten Verhaltensstörungen . Ich klicke auf die Wegbeschreibung. Die Praxis liegt nicht mehr in Düsseldorf, sondern ganz in der Nähe, in Witten, jenseits der Kemnade, wo das Gras grüner ist und die Studenten an der Privatuniversität Klobrillen aus Tropenholz haben. Dr. Gerhardt Slepitzka. Ich fasse es nicht.
»Na, wie findest du das?«, frage ich meinen Kater und denke daran, dass Yannick je nach Betrachtungsweise nicht bloß eine Acht, sondern sogar das Symbol für Unendlichkeit auf den Boden geschissen haben könnte. »Ein Vergnügungspark für Katzen. Willst du dahin? Yannick?« Der Kater sitzt nicht mehr hinter mir auf dem Boden, sondern bereits in der Transportbox, die er sonst nur unter nahezu palästinensischer Gegenwehr betritt. Das ist dann wohl ein Ja. Ich notiere die Adresse für den Navigator, schließe die Box und fahre auf die andere Seeseite.
Dr. Slepitzkas Zentrum wurde in einem Wohnviertel errichtet. Zum Eingang durchschreitet man einen gepflegten Garten mit sorgsam gestutztem Buchsbaum, Pampasgras, ein wenig Bambus und ein paar schönen Zwiebelgewächsen mit kräftig orangefarbenen Blüten. Es gibt keinen durchgängig gepflasterten Weg, sondern große, organisch gehauene Platten aus hellem Graniststein, die wie Inseln über die Beete führen.
Die junge Frau hinter der kleinen runden Empfangstheke erklärt mir, wie’s läuft. Sie hat große braune Augen, dunkle Locken, eine Stupsnase und einen seltsam breiten Kiefer.
»Doktor Slepitzka macht bei jedem neuen Klienten grundsätzlich eine Routine-Untersuchung, um eine Übersicht über den Stand der Dinge zu bekommen.«
»Mmmkay …«
»Wenn Sie mögen, nehmen Sie so lange im Wartezimmer Platz. Schließen Sie hinter sich die Tür und machen Sie drinnen die Box auf.«
Die Box aufmachen? Im Wartezimmer? Ich frage mich, was sie meint, öffne die Tür und schaue in das Gesicht
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