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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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lassen, dass ein gebrochener Jochen auch den Mario beschädigt.
    M.
    Es ist schon ein bisschen theatralisch. Ich darf nicht vorbeikommen, also surfe ich zu Amazon und suche Jochens Wunschzettel, um ihm ein Trostgeschenk zukommen zu lassen. Ich weiß, dass Jochen diese Liste auch als Gedächtnisstütze nutzt, aber ich werde etwas darauf finden, das sich als Geschenk eignet. Das letzte Produkt, das Jochen sich gespeichert hat, ist eine Lichtorgel mit sechs farbigen Reflektorlampen. Seltsam. Will er eine Disco aufmachen? Ich scrolle nach unten. Zwischen den unzähligen, uralten Musikalben, Filmen und Spielen, die ihm noch fehlen, stehen ein paar Schneiderpuppen. Männliche und weibliche Torsos zum Ausstellen von Klamotten. Ich ignoriere sie und schaue mir die Dinge an, die in Frage kommen. Das Beste sind die Formate. Bei Filmen sucht Jochen nach VHS. Bei Musikalben nach MCs. Gerne denke ich zurück an die Zeit, als wir auf seinem Balkon die Demos unten auf der Straße anschauten, kühles Bier neben den Klappstühlen und Peter Maffay im alten Recorder. Ich finde in seiner Liste ein Maffay-Tape mit Namen »1971–1979«. Die Schlagerphase bis kurz bevor er zum Rocksänger wurde. Das Bild zum Produkt ist unscharf, wie ein schmutziger gelbweißer Fleck. Ich wusste nicht, dass man bei Amazon als Gebrauchtanbieter auch eigene Bilder hochladen kann. Das Cover ist kaum zu erkennen. Gut möglich, dass es sich bei der Compilation um eine obskure Nachpressung handelt. Nennt man es Pressung, bei Kassetten? Wie auch immer, das ist dermaßen obskur, das wird Jochen gefallen. Ich bookmarke es und schreibe Mario:
    Habe ein Geschenk, das Jochen aufheitern wird. Gib mir bitte Eure neue Adresse durch, dann sende ich es direkt dorthin.
    Der
    weiterhin Geknickte
    Hartmut hat mir ebenfalls geschrieben. Er erzählt eine Geschichte vom Campingplatz und fragt mich scheinbar beiläufig nach Yannicks Einreise in die Vereinigten Staaten, die eigentlich eine dreimonatige Haustierquarantäne erfordert.
    Du würdest Dir eher selber mit einer abgesägten Pumpgun die Kniescheibe wegschießen, als unseren freiheitsliebenden Kater auch nur länger als zehn Minuten in einer Box eingesperrt zu lassen.
    Scheiße.
    Da schreibe ich mir die Finger wund, und Hartmut hat schon eine logische Lücke entdeckt. Ich überlege mir, was ich antworten könnte, als Yannick aufhört, die wuselige Wurst zu jagen, und auf die Fensterbank springt. Er stellt sich auf und scharrt mit der Lederhaut seiner Pfoten am Fenster, denn draußen auf dem Geländer der Terrasse balancieren Füße.
    Auf dem Geländer der Terrasse vor meinem Fenster balancieren Füße???
    Ich springe auf und sehe genauer hin. Ein schlaksiger Mann in beiger Jeans und rotem Pulli steht tatsächlich auf dem Geländer, zehn Stockwerke über dem Uni-Center. Ich stürze aus dem Appartement, schließe meine Tür und stolpere auf die Terrasse. Der Mann auf dem Geländer hat strohblonde, dünne Haare, die ihm bis auf die Schultern fallen. Sein Bart ist ein Stoppelfeld. Das Kassengestell auf seiner Nase ist viel zu groß für seinen schmalen Kopf. Er sieht zu mir.
    »Konzentrier dich!«, rufe ich, als würde er eine Turnübung machen, deren Sinn es ist, nicht in die Tiefe zu stürzen. Er runzelt die Stirn. Ein Mann kann kaum mehr als zwei Dinge gleichzeitig denken, habe ich mal gelesen. Er kommt ins Wanken. Mein Herz macht zehn Schläge auf einmal, aber danach pumpt es ruhiger als zuvor. Ich muss jetzt entschieden sein, also bin ich es auch. »Augen auf die Füße!«, befehle ich. Er gehorcht. Sein Stand wird sicherer.
    »Und jetzt hierher auf die Terrasse!« Er zögert. Eigentlich wollte er schon unten sein, auf dem Pflaster des Uni-Centers, als Matsch und Knochen. Daran erinnere ich ihn lieber nicht. »Genau dorthin, zwischen die beiden Betonplatten. Da, wo viel Gras aus der Ritze wächst.«
    Sein Blick folgt meinem Zeigefinger. Er murmelt: »Die vielseitig verwendbare Bodenplatte aus Beton in den Farben Grau und Hellgrau ist eine grundsolide Lösung für stark strapazierte Außenterrassen.«
    Ich weiß nicht, was er da brabbelt, also wiederhole ich meinen Befehl von eben: »Bodenplatte. Da springst du hin. JETZT!«
    Er hüpft vorwärts vom Geländer auf die Terrasse, kommt ins Straucheln und stützt sich ab. Seine Hände landen exakt links und rechts der Ritze. Er bleibt einen Moment so, wie ein Hundertmeterläufer beim Start. Stöhnend richtet er sich auf. Seine Augen suchen über dem Rand der klapperigen Brille

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