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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Hände und Knie auf und versuchte, den Erdboden klar zu sehen. Sie betastete ihren Kiefer und ließ die Hand fallen, denn ein brennender Schmerz durc h zuckte ihren Schädel. Langsam ordnete sich die Welt wieder, aber ihre Beine wurden zu Sülze. Sie blickte hoch und sah Da r ren über sich stehen – offensichtlich stinkwütend.
    „Steh auf!“ brüllte er sie an. Sie hielt ihm die Hand hin, damit er ihr helfen sollte. „Steh auf!“
    Sie quälte sich auf die Füße, bewegte den Unterkiefer und sah ihm so fest sie konnte ins Auge.
    „Du bist dumm, Elspeth!“
    „Und du hast mir scheußlich weh getan, du Ekel!“
    „Totschlagen müßte man dich!“
    „Das hast du auch beinahe geschafft“, erwiderte sie und spü r te, wie ihr Zorn stärker wurde als die Erschütterung über seine Grobheit. Ihr Kiefer fing an zu schwellen, das Blut sickerte aus den zerrissenen Gefäßen. Der Schmerz wurde stärker, Tränen traten ihr in die Augen. „Ein Menschenkopf ist nicht für solche Hiebe gemacht.“
    Zu ihrem größten Erstaunen flog sie auf einmal durch die Luft und fiel in das eisige Wasser des Flusses, nur mit dem Oberkö r per in die kalte Strömung, so daß der bittere Schock den Schmerz des zweiten Schlages ertränkte, der die andere Seite ihres Kopfes getroffen hatte, ohne daß sie ihn kommen sah.
    „Hör auf!“ kreischte sie, als Darren sie aus dem Wasser riß und grob auf die Füße stellte. Ihre Hand suchte in ihrem Gürtel nach der tödlichen Klinge, aber die Bewegung sah zu deutlich nach Verteidigung aus; er packte ihr Handgelenk und riß es von der Gürtelschnalle weg.
    Stöhnend sank Elspeth in die Knie, stützte den Kiefer mit den Händen und schloß die Augen.
    „Warum hast du das getan?“ brüllte Darren. Es hörte sich an, als sei er ebenso enttäuscht wie wütend.
    „Ich wollte den Auftrag wissen“, murmelte sie; Sprechen tat weh, und es wurde immer schlimmer. Sie konnte den Jüngling nicht ansehen.
    „Ich hätte dir schon gesagt, was du wissen wolltest“, knurrte er. „Ich hätte dir alles erzählt. Diese Dummheit hä t test du dir sparen können. Du wußtest doch, daß das Unrecht war.“
    „Du hättest nicht verstanden, was sie meinen“, erwiderte sie leise und mühsam. „Ich mußte dabeisein.“
    „Ich hätte dir die Worte sagen können. Ich hätte sie beha l ten, und du hättest verstanden, was sie bedeuten. Nein, Elspeth, es war dumm, daß du in die Feuer-Halle gekommen bist. Dumm.“
    „Ja, es tut mir leid, aber nun ist es zu spät …“
    „Ja! Zu spät!“
    Sie fürchtete das Schlimmste. „Sie werden mich wohl t ö ten, wenn ich in den crog zurückkomme.“
    Er lächelte verächtlich. „Nein, du kannst ganz beruhigt zurüc k gehen. Keiner weiß, daß du es warst. Und ich werde es ihnen nicht verraten …“
    Erleichtert und gleichzeitig ungeheuer gespannt sah sie zu ihm hoch. Darrens Gesicht war verzerrt und gefurcht, ein viel zu altes Gesicht. Zorn, Verwirrung, Panik waren in se i nen Zügen vermischt, alles durcheinander, so daß sein G e sichtsau s druck fast undeutbar wurde, und doch traten alle diese Gefühle deutlich hervor. Denn Darren war aus einem Grunde, den Elspeth nicht verstehen konnte, an einen We n depunkt gekommen und konnte nicht mehr zurück; sie ve r spürte eine kri b belnde Angst, als ihr klar wurde, daß sie nun vielleicht aus seinem Leben herausgeschnitten war. Er wü r de sie nicht töten, das hatte er ja bereits gesagt. Doch er würde ihr nicht mehr helfen, und das war ein großer Verlust für sie.
    „Darren …“
    Seine Hand klatschte auf ihren Mund und war dann weg. Seine Augen blieben kalt. Es war eine für alle Beteiligten ei n deutige Geste.
    „Ganz gleich, was du tust“, sagte er langsam, „schaff de i ne Jen s eitler-Freunde aus diesem Land weg. Mach, daß sie we g gehen!“
    „Darren, ich kann doch nicht einfach …“
    Er drehte sich kurz um und rannte los, ein angespanntes Muske l paket, das in der schützenden Dunkelheit des Waldes ve r schwand. Elspeth sah ihm nach, die Hände an ihrem schmerzenden Gesicht, bis der Junge ganz und gar ve r schwunden war und sie nichts mehr hörte. Dann brach sie in Tränen aus. Das war wohl das einfachste.
    Aus dem Nichts heraus kam eine Hand und berührte ihre Schu l ter. Sie schrie erschrocken auf.

4
     
     
     
    Elspeth blinzelte sich die Tränen aus den Augen und starrte zu dem alten Mann hoch.
    „Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe“, sagte dieser. Sie wollte antworten, doch es tat zu

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