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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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weh, wenn sie den Ki e fer bewegte; stechender Schmerz durchschoß ihre Wange n mu s keln, und sie gab es auf; Kopfschütteln genügte ja auch. Der alte Mann schien nicht recht zu wissen, was er tun sol l te, so n dern sah sie nur an. Es war derselbe Blick, mit dem er sie in der Feuer-Halle durch die Felsenpfeiler angestarrt ha t te. E r staunt, betroffen … interessiert.
    „Ich habe gesehen, was er mit Ihnen gemacht hat.“ Er blickte in die Richtung, in der Darren verschwunden war. „Sehr br u tal. Wirklich, sehr brutal, doch immerhin …“ Er zögerte kurz. Au s druckslos starrte sie zurück. Irgend etwas war an ihm, das sie wiedererkannte, und doch war es etwas Undefinierbares … „Ja“, fuhr er verlegen fort, „ich dachte, es hörte sich mehr nach einem Streit zwischen Liebesleuten an als nach sonst etwas – deswegen habe ich meine Autom a tik aus dem Spiel gelassen.“ Er tippte auf den kleinen roten Beutel, der an seinem Gürtel hing. Jetzt, da sie auf seinen Gürtel blickte, sah Elspeth erst, wie dünn der Mann war, wie zerbrechlich. Seine rote und gr ü ne Robe blähte sich im Wind, und sie konnte unter dem hal b durchsichtigen Stoff seine skelettdünnen Beine erkennen. Sein Gesicht war scharf und run z lig, wie von vielen Jahresringen; funkelnde Augen, die manches Jahrzehnt gesehen hatten.
    Fast sofort ging ihr auf, wer er war. Ihr Verstand, wenn auch noch verwirrt von den Prügeln und den immer noch schmerze n den Beulen, setzte endlich die physiognomischen und charakter i stischen Merkmale zusammen und fand die ins Auge springende Lösung. „Rationalist …“, murmelte sie und zuckte vor Schme r zen zusammen. Der alte Mann ließ sich auf die Knie nieder und berührte mit dem Finger ihre Lippen. Seine Miene wurde ernst, dringlich, beinahe ju n genhaft unter den zeitverwitterten Kont u ren. „Rationalist …“, murmelte sie noch einmal.
    „Sprechen Sie nicht, ehe wir den Bluterguß beseitigt h a ben. Hier …“ Mit einem Schwung holte er ein kleines Leinenpäc k chen herum, das hinten an seinem Gürtel gehangen hatte, öf f nete es und griff hinein, ärgerlich, weil er nicht gleich finden konnte, was er suchte. „Schade … anscheinend habe ich …“
    Mühsam lächelnd berührte sie seine Hand. „Lassen Sie nur“, sagte sie. „Mein Boot … da …“
    „Ich helfe Ihnen.“
    Er stand auf und faßte ihre Hand, doch als sie versuchte, auf ihre zitternden Beine zu kommen, war ihr Gewicht z u viel für den kleinen Mann, und er ging in die Knie. Als er sie leise au f lachen hörte, schüttelte er den Kopf und lachte auch. „Ich war noch nie sehr kräftig.“
    „Bestimmt haben die anderen Kinder Sie oft verhauen, als Sie noch klein waren“, sagte Elspeth mühsam, während sie sich hochrichtete und sich auf die Beine stellte – ein ung e wohntes Gefühl im Moment. Sie sah auf den alten Mann hinab. Er läche l te.
    „Ich war zu schlau. Ich redete mich immer heraus.“
    „Das können …“ Sie fuhr zusammen. „Das können Sie also gut. Mein Gesicht tut mir zum Sterben weh.“
    „Heutzutage bin ich dessen nicht so sicher, daher habe ich meine Automatik mit. Stützen Sie sich auf mich, wenn Sie wollen.“
    Sie sah ihn an, und er lächelte verständnisvoll. „Nein, li e ber nicht.“
    „Ich glaube, ich gehe lieber allein“, sagte sie, „aber vielen Dank für die gute Absicht.“
    Ihre Fähre lag fast so, wie sie sie am Morgen verlassen hatte, halb versteckt unter toten Pflanzen und dem Tarnnetz, das sie darübergezogen hatte; aber jemand war mit Gewalt eingedrungen, das war ohne weiteres zu sehen. Diese Z u bringerfahrze u ge waren nicht einbruchsicher konstruiert, sondern im Gegenteil so, daß der Benutzer, wenn er von e i nem Rekognoszierungsgang zurückkam und nachlässige r weise die Schlüsselscheibe vergessen hatte, immer noch o h ne große Schwierigke i ten hineinkam. In der Fähre gab es selbstverständlich nichts Wertvolles, doch Raub war auch nicht das Motiv des Eindrin g lings gewesen.
    Betroffen starrte der Alte durch das offene Einstiegsluk. „Wir haben Sie heute früh landen sehen. Ich bin sofort nach A b bruch der Versammlung hergekommen, und da war es schon so.“
    „Diese Jenseitler!“ murmelte sie. „Wetten, daß Ihr Schiffs-Meister die Steuervorrichtung abmontiert hat?“
    „Das hat er. Er will wissen, wer Sie sind. Bestimmt wird er ve r nünftig sein und sie Ihnen wiedergeben.“
    Ich sitze hier fest, war ihr erster Gedanke. Ein kalter Schauer durchfuhr sie, war

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