Erdwind
Blöcken wieder auf, die Ashka im Vorbeigehen a b tastete und rasch auf Zeichen hin untersuchte; doch konnte er nicht unterscheiden, ob es natürliche oder von Mensche n hand geschaffene Gebilde waren.
Der Weg kam ihm endlos vor, doch dauerte es nur ein paar M i nuten, bis das Licht der führenden Fackel Schatten über einen großen Hügel warf, der sich aus dem Walde e r hob wie der Bu c kel eines schlafenden Ungeheuers. Er war vier- oder fünfmal so hoch wie Ashka und hatte eine sanft gerundete Form, die, wie er meinte, einem Prähistoriker ve r traut sein mußte, die ihm jedoch, unwissend wie er auf di e sem Gebiet war, völlig fremd vorkam. Elspeth würde wi s sen, warum er gerade so groß und so geformt sein mußte; dieser Tumulus war zweifellos die Rekapitulation eines Stückes der Steinzeitkultur, die sie so faszinierte. Für As h ka war es ein von Menschenhand errichteter, ganz unintere s santer Bau, doch mit einem kleinen Eingang, bei dem man sich e r heblich bücken mußte. Iondai wartete vor diesem Eingang und schwang die Fackel, als könne er damit die Beleuchtung des schwierigen Pfades irgendwie verbessern.
Kaum hatte Ashka den Hügel erreicht, da bückte sich Iondai, noch ehe Ashka etwas sagen konnte, und ve r schwand im Inneren. Ashka konnte noch kurz den reich o r namentierten Tü r sturz in etwa Gürtelhöhe erkennen, ferner ein komplexes Kerbmuster am Eingang des Ganges, das, wie er bestimmt glaubte, die Erdströme im Stein darstellte; dann war das Fa c kellicht nur noch ein ferner Schimmer, und er kroch durch den feuchten Tunnel, verkrümmt und unb e quem, sein Atem hing in der eisigen Luft, unter seinen vo r sichtig forschenden Fingern fühlte er den kalten, nassen Stein. Dieser klaustrophobische Felsenbau war entschieden unang e nehm – ihm war, als ob ihm jedesmal, wenn er den Stein berührte, ein leichenfressender Dämon oder ein G e spenst in den Kragen atmete. Er zog sich ganz zusammen, als er den schrägen Gang weiter hinunte r kroch, der bestimmt in die bittersten Tiefen der Erde führen würde. Das gelbliche Flackern der Fackel wurde sein Leitstern, der Brennpunkt seines Bewußtseins. Es bedeutete Wärme und Sicherheit.
Er war froh, als er den großen Saal erreicht hatte, der s i che r lich zweihundert Yards lang war. Da stand auch Iondai, die Fackel in der Hand, das Antlitz maskenhaft, ohne L ä cheln, mit tiefen Schatten.
„Wir sind beinahe am Ziel“, sagte er zu Ashka, der sich aufg e richtet hatte und um sich schaute.
Sogleich war Iondai wieder in einem Seitengang ve r schwu n den, und jetzt klangen seine Schritte sonderbar laut und scharf in Ashkas Ohren. Er eilte hinter diesem selts a men Aerani her und hielt sich jetzt näher bei ihm. Schon nach ganz kurzer Zeit sti e gen sie eine steile Rampe hinunter und gelangten in einen kühlen, doch nicht so eisigen Raum, der hell von Fackeln e r leuchtet und dessen Boden mit Fellen ausgelegt war. Die Wä n de waren mit Erdstrom-Mustern und anderen Gebilden ornamentiert, über deren Bedeutung nac h zusinnen Ashka keine Zeit hatte. Mehrere Gänge stießen an diese natürliche Höhle; doch Iondai setzte sich hin und blickte seinen Gast an.
Ashka setzte sich ebenfalls auf den fellbelegten Fußboden und sah sich weiter in der Höhle um. Zweifellos wohnte der Seher hier, und hier machte er wohl auch seine Vorauss a gen. Einer der Gänge mußte in die Erdburg hineinführen. Durch den zweiten Gang, der vom Walde kam, waren Ashka und Iondai hierherg e kommen; wohin also führte der dritte Tunnel? Vie l leicht war es nur ein zweiter Ausgang.
Iondai lächelte, als er sah, daß Ashkas Blick auf dem u n teren Tunnel ruhte. „Er führt in die Feuer-Halle“, sagte er.
„Ah“, sagte Ashka und lächelte zurück; dann erschauerte er, denn sein Körper konnte sich nicht gleich auf die Kühle ei n stellen. „Und der da? Wohin führt der?“
„Zum Orakel“, antwortete Iondai, „zum Lied der Erde. Möc h test du es sehen?“
„Sehr gern.“ Lied der Erde? Ein Bild, bei dem ihm kein Orakel einfiel, das er kannte. Hochinteressant. „Wer hat di e sen Erdhügel errichtet?“ fragte er.
„Es gibt mehrere. Sie liegen verstreut um den crog, in kleinen Waldlichtungen. Unsere Ahnen haben sie als rituelle Ein- und Ausgänge zur Feuer-Halle gebaut. Unter dem Wald sind viele, viele Höhlen und Gänge; unsere alten Leute b e geben sich oft unter die Erde, um dort zu sterben. Diese Kammer ist die grö ß te von allen, und hier haben schon vor meinem
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