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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Leben nach dem Fahrplan laufen – heute muß ich meinen Ärger im Zaum halten, oder es geht etwas schief, und ich gerate aus dem tao! Es macht die Menschen schwach, Peter! Es macht sie bequem, und Bequemlichkeit ist der Feind des menschl i chen Geistes. Ich habe es gesehen – wa r um kannst du es nicht auch sehen?“
    „Ich sehe da keinen Unterschied. Mit oder ohne ching – das ist ganz gleich für die Psyche, die Gesellschaft, für Au s sehen oder Hautfarbe. Bequemlichkeit ist ein Symptom der persönl i chen Schwäche, kein Argument gegen das ching. Möchtest du ohne Taschenlampe in einer dunklen Stadt h e rumlaufen? Oder ohne warme Kleidung auf einen hohen Berg steigen? Bist du schwach, weil du solche Dinge brauchst?“
    „Ja“, erwiderte Gorstein, „weil ich umkommen würde ohne sie. Aber das ist Evolution, Peter. Gegen die Evolution können wir nicht an. Die Technologie hilft uns, mit den ev o lutionsb e dingten Schwächen zu leben. Dieses verdammte Buch ist ganz etwas anderes. Das evolutioniert uns nach hi n ten! Kleidung evolutioniert den Menschen nicht. Sie schützt ihn. Das ching sitzt in ihm drin, Peter. Es ist überall, faßt überall hin, kontro l liert, schwächt. Das sehe ich jetzt. Wir sind nicht vom ching abhängig, sondern von dem, was es darstellt: den leichten Weg! Du hast dich angesteckt, und deine Krankheit heißt U n sicherheit. Elspeth Mueller hat mir vorgeworfen, daß ich an dieser Krankheit leide. Ich wäre ein Mann ohne Wissen und Zukunft, hat sie gesagt und hat mir unterstellt, daß ich desw e gen Angst hätte und deswegen schwach sei. Aber da hat sie sich geirrt.“
    Eine kurze Stille trat ein. Ashka brach sie, indem er leise sa g te: „Vielleicht haben wir uns beide geirrt. Vielleicht ist die Furcht überall, welchen Weg du auch einschlägst. Furcht plus Wissen gegen Furcht plus Nichtwissen.“
    „Vielleicht“, stimmte Gorstein zu.
    Doch Ashka wurde wieder böse. „Aber du kannst nicht leu g nen, daß du arrogant bist, Karl. Schrecklich arrogant.“
    „Wieso?“
    „Deine Haltung, dein ganzes Betragen – alles reine Arr o ganz. Ich weiß ja, daß ein Mann von Autorität arrogant sein muß; aber zehn Jahre lang habe ich diese Arroganz für eine Maske gehalten, die fällt, sobald wir privat, als Freunde z u sammen sind. Doch jetzt bist du selbst diese Maske, Karl. Sie ist dir eingewachsen oder du in sie. Sie verbirgt deine Angst, die Elspeth ganz richtig in dir gesehen hat – oder deine Unsiche r heit!“
    „Falsch“, entgegnete Gorstein verächtlich. „Sie verbirgt gar nichts, Peter – da ist nichts zu verbergen …“ Sekunde n lang wu r de er ernst und zog die Brauen zusammen; das Echo eines früheren Gesprächs mußte ihm wieder eingefa l len sein.
    „Arrogant“, wiederholte der Rationalist. „Diese Arroganz steckt tief drinnen in allen Menschen. Sie ist Mangel an Demut, eine Idee von Größe, von Mittelpunkt-Sein, von U r sächlichkeit – tief drinnen wollen die Menschen nicht wah r haben, daß sie eine Ni e derlage erleiden könnten oder daß es einen Menschen gibt, der ihnen überlegen ist. Meistens ble i ben diese primitiven Züge in der Tiefe. Bei dir sind sie an die Oberfläche gekommen. Dir kann nichts schiefgehen, nicht wahr, weil du mittels irgendwelcher undefinierbarer Kräfte alle Schwieri g keiten überwindest …“
    „Jawohl – eine undefinierbare Kraft, die in uns allen steckt, kann hervortreten und uns befähigen, Fehler zu ve r meiden …“
    „Oder welche zu machen“, fiel Ashka scharf und böse ein. „Nur Kraft – das gibt es gar nicht. Kraft wird immer durch Schwäche beeinträchtigt. Deswegen ist das ching ja gerade so ungeheuer wertvoll. Es zieht alle Überlegungen in Betracht, Karl. Du Narr lehnst das ching ja gerade aus den falschen Gründen ab!“
    Seine Stimme hallte durch den kleinen Raum. Die Blicke, die sie wechselten, waren zutiefst feindlich, doch bald lo c kerte ein be i derseitiges Einlenken die Spannung.
    Gorstein lachte bitter auf. „Wenn die Menschheit jemals bestraft wurde, so war es dann, als ihr Schicksal in die Hä n de unsichtb a rer Götter gelegt wurde.“
    Ashka lächelte; sein Nicken war mehr ein Reflex als eine bewu ß te Bewegung. „Karl …“ Und für einen Augenblick war ihm, als schliche sich die alte Wärme wieder ein.
    „Ach Peter, Peter …“ Gorstein war anscheinend ebenso durc h einander wie Ashka.
    „Karl, mein Freund, mein lieber Freund. Warum kämpfen wir? Was ist los mit uns?“
    „Ich weiß

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