Erdwind
in der Nacht –, doch wi e derum reagierte Elspeth nicht.
Wenn Gorsteins Wut auf den Höhepunkt kam – und das würde sie –, dann entschloß er sich vielleicht zu irgendwe l chen aggre s siven Aktionen gegen die Aerani; und Elspeth hielt es für fair, sie zu warnen. Gewiß war es ein großes R i siko, ihnen zu sagen, daß sie die Monitoren getötet hatte; doch die Aerani besaßen ein wunderbares Talent zum Fat a lismus und würden sich wohl mit dem Geschehenen abfi n den – vielleicht würden sie sogar eins e hen, daß es so am besten war. So oder so – sie wußten es mögl i cherweise schon, denn ihr Orakel wußte es bestimmt.
Am inneren Eingang des crog lief sie Iondai in die Arme. Er versperrte ihr den Weg, ein schmächtiger, aber aggress i ver Mann. Er starrte sie an, und etwas in seinen Augen, e t was in seiner Miene bestätigte ihre Befürchtungen.
Er wußte, was geschehen war!
Trotzdem sagte sie: „Die Knochen-Geister sind tot.“
Iondai antwortete nicht, sondern starrte sie nur an. Dann trat er zur Seite, und ihr wurde klar, was nun geschehen würde.
12
Peter Ashka hatte weder vor dem Leben noch vor der U n vermeidlichkeit des Todes Angst. Das ching eliminierte das El e ment der Unsicherheit fast vollständig aus seinem Leben, und so stand nur der Tod zwischen ihm und dem friedvollen Sein, das er sich so wünschte. Deswegen hatte er in seinen mittleren Jahren alles aufs Spiel gesetzt und jene lange W o che in Konsultationen mit dem Buch der Wandlungen ve r bracht, hatte herumgebohrt und auf eine Antwort hingearbe i tet, die tief in der Zukunft verborgen lag, in jenem unwah r scheinlichen Un i versum, wo es immer noch mehr Dunkel als Licht gab. Doch das ching kam tief genug hinu n ter, und er war dem ching g e folgt, und am Ende der Woche hatte er eine Reihe von Gle i chungen in Händen, aus denen er das genaue Datum seines Todes errechnen konnte.
Wenn Ashka einen wesentlichen Charakterfehler hatte, dann den, daß er von Jugend an zur Desorganisation neigte. Planen und Vorbereiten waren ihm so unangenehm, daß er oftmals ins Cha o tische geriet, und nur aus diesem Grunde könnte, wie er selbst spürte, sein Leben enden, ehe er es voll ausgeschöpft hatte. Man brauchte so ungeheuer viel Wissen und Erfahrung; nur wenn er seine Zeitgrenze kannte, war er imstande, sein Leben auf das richtige Ziel hin zu organisi e ren.
Diese Zeit war beinahe um, und wenn er auch bedauerte, daß die sieben Monate nicht sieben Jahre waren, fühlte er sich doch nicht unglücklich, und Angst hatte er ganz b e stimmt nicht – so war es, und so war es immer gewesen. Ein friedliches Leben und ein friedlicher Tod waren ihm ve r sprochen, und Friede war sein größter Wunsch. Gorstein war sein Herr und bestimmte sein Leben; das ching war sein b e ster Freund und le i tete sein Schicksal. Leben und Schicksal – was gab es sonst noch? Nur die Verga n genheit. Hier und nur hier tat ihm manches von Herzen leid. Doch das war u n wichtig.
Das Leben, das hinter ihm lag, war voller Erinnerungen an alle Freuden, nach denen er sich immer gesehnt hatte: neues Wissen, neue Orte, neue Fragen. Er hatte nie geheir a tet, denn das gehörte zu den Freuden, nach denen er sich nicht sehnte. In mancher Hi n sicht war er anomal, doch wenn seine Exzentrizität, seine Hingabe an das ching ihn ein w e nig von den anderen Menschen entfernten, so war er nicht s destoweniger ein Mensch wie andere auch, ohne große Kreativität und ohne den starken, reformator i schen Funken. Er beherrschte sein Handwerk, wie so viele in seiner Umg e bung, aber er war nicht übe r ragend.
Er maß seinen Erfolg nicht an dem angehäuften Wissen (das war sein privater Stolz), sondern an den Erfolgen Karl Go r steins. Gorstein war sein Herr und doch in gewissem Sinne sein Unte r gebener, denn in den letzten Jahren hatte Ashka ihn geführt, hatte ihm geholfen, oben zu bleiben, ha t te ihn mit Rat und Hilfe vers e hen, hatte den Mann zur Macht aufsteigen, ihn Schiffs-Meister werden sehen, hatte be o bachtet, wie seine Kraft aufblühte und sich festigte. Go r steins Erfolg war Ashkas Erfolg; er und Go r stein standen sich näher als Freunde – sie waren fast eins.
Deswegen hatte Ashka die Prophezeiung, daß die Oberen zw i schen ihm und dem Erfolg der Aeran-Mission stünden, mit so tiefer Angst erfüllt. Zweifelte er – so hatte er sich g e fragt – im Innersten an Gorstein? An seiner Kraft, an seiner Entschlosse n heit? Spürte er in einer ruhigeren Ecke
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