Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
Wunder, daß er Euch gestattete, uns nach Herun zu führen.«
Sie nickte. »Er wollte herkommen, aber die Wahl war natürlich die Eure.«
»Wirklich? Wie konnte die Morgol das eine wissen, das mich nach Herun bringen würde?«
Lyra lächelte. »Ihr seid ein Rätselmeister. Sie sagte, auf ein Rätsel würdet Ihr ansprechen wie ein Jagdhund auf eine frische Fährte.«
»Woher wußte sie das?«
»Als Mathom von An nach dem Mann forschen ließ, der Pe- vens Krone gewonnen hatte, kamen seine Boten bis nach Herun. Und da sie eine wißbegierige Frau ist, ließ sie es sich angelegen sein, herauszufinden, wer die Kröne hatte.«
»Aber so wenige nur wußten es - Thod, Rood von An, die Großmeister - «
»Und die Händler, die Euch von Hed nach Caithnard brachten. Die Morgol hat eine Gabe dafür, Geheimnisse aufzuspüren.«
»Ja.« Einen Moment lang blickte er stirnrunzelnd in den Becher, der vor ihm auf dem Tisch stand. Dann wandte er sich der Morgol zu, beobachtete sie, während sie mit Thod sprach, und sagte dann, als sie schwieg: »El!«
Ihre goldgefleckten Augen richteten sich auf sein Gesicht.
‘»Woher wußtet Ihr das Rätsel, das Ihr mir gegeben habt? Es steht nirgends in den Büchern der Großmeister, und es hätte dort stehen müssen.«
»Glaubt Ihr, Morgon? Es scheint ein so gefahrvolles Rätsel zu sein, daß nur ein Mann den Versuch wagen sollte, es zu lösen. Was hätten die Großmeister damit anfangen sollen?«
»Sie hätten nach der Lösung geforscht. Das ist ihr Geschäft. Rätsel sind häufig gefährlich, aber ein ungelöstes Rätsel kann tödlich sein.«
»Das ist wahr, wie Dhairrhuwyth herausfand - und das scheint mir um so mehr Grund, es geheimzuhalten.«
»Nein«, widersprach er, »Unwissen ist tödlich. Bitte. Wo habt Ihr es gefunden? Ich mußte - ich mußte nach Herun kommen, um einen Namen zu finden. Warum?«
Sie senkte die Lider, und ihre Augen waren ihm einen Moment lang verborgen.
»Ich fand es Vorjahren in einem alten Buch«, antwortete sie langsam, »das der Morgol Rhu hinterlassen hatte. Es waren die Aufzeichnungen seiner Reisen. Das Buch war von dem Zauberer Iff mit dem Unaussprechlichen Namen mit einem Wortschlüssel verschlossen worden. Er befand sich damals im Dienste Heruns. Ich hatte einige Schwierigkeiten, das Buch zu öffnen. Iff hatte es mit seinem Namen verschlossen.«
»Und Ihr spracht ihn aus?«
»Ja. Ein weiser, alter Gelehrter an meinem Hof meinte, Iffs Name sollte vielleicht gleichzeitig gesungen und ausgesprochen werden, und lange Stunden brachten wir in dem Bemühen zu, die Töne zu finden, die zu den Silben von Iffs Namen gehörten. Schließlich sang ich rein zufällig den Namen mit den richtigen Tönen und sprach ihn dabei aus. Da sprang das Buch auf. Die letzte Eintragung, die der Morgol gemacht hatte, war das ungelöste Rätsel, das er Herun hinterließ: das Rätsel vom Sternenträger. Er schrieb, er wollte zum Erlenstern-Berg. Danan fand ihn tot und sandte ihn von Isig nach Hause. Der Gelehrte, der mir geholfen hatte, ist tot, und ich behielt das Rätsel für mich selbst - weniger aus Vernunft als aus Instinkt.«
»Warum?«
»Oh - weil es gefährlich ist; weil ich von den Händlern gehört hatte, daß in Hed ein Kind mit drei Sternen in seinem Gesicht aufwuchs; und weil ich einen Großmeister in Caithnard fragte, was er von den drei Sternen wüßte, und er sagte, er hätte niemals von ihnen gehört. Und weil der Name dieses Großmeisters >Ohm< war.«
»Großmeister Ohm?« fragte er verdutzt. »Er hat mich unterrichtet. Warum hielt sein Name Euch davon ab, zu sprechen?«
»Es war nur eine Kleinigkeit, aber es lenkte meine Gedanken in eine merkwürdige Bahn. Ich hielt seinen Namen für eine Abkürzung eines Namens von Herun. Ghisteslohm.«
Morgon starrte sie an. Sein Gesicht wurde bleich.
»Ghisteslohm. Wer war der Gründer von Lungold, und wie lauten die neun Lehrsätze seiner Lehren? Aber er starb. Vor siebenhundert Jahren, als die Zauberer aus Lungold verschwanden.«
»Vielleicht«, gab sie zurück. »Aber ich habe da meine eigenen Gedanken.« Sie riß sich aus ihren Überlegungen und berührte leicht seinen Arm. »Ich störe Euch mit meinen müßi-gen Mutmaßungen beim Essen. Aber seht Ihr, es geschah et-was Sonderbares, das mir seitdem stets Kopfzerbrechen ge-macht hat. Ich habe ein scharfes Auge; ich kann mit meinem Blick durchdringen, was ich will, wenn ich auch im allgemeinen nicht durch die Menschen hindurchblicke, mit denen ich gerade
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