Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
Gesicht des Harfners, das sich mit jeder Schlängelbewegung der Flammen veränderte.
»Es war Thod«, sagte sie, ihre Stimme wieder ruhig.
»Thod«, hauchte Lyra, und Rendel sah die Sehnsucht in ihrem Gesicht. »Er war hier? Habt Ihr mit ihm gesprochen?«
»Ja. Er hat mir zu essen gegeben. Ich verstehe ihn nicht. Er sagte mir, daß alles, was Morgon über ihn berichtet hat, wahr ist. Alles. Ich verstehe ihn nicht. Er ließ mir seinen Umhang hier, während ich schlief.«
Mit einer heftigen Bewegung wandte sich Lyra ab und beugte sich nieder, die Spur zu erforschen, die Gph entdeckt hatte. Dann richtete sie sich wieder auf und blickte nach Süden.
»Wie lange ist es her, daß er aufgebrochen ist?«
»Lyra«, sagte Imer still, und Lyra drehte sich nach ihr um. »Wenn du vorhast, diesen Harfner durch die Einöden des Reiches zu verfolgen, dann wirst du es allein tun. Es ist Zeit, daß wir alle nach Herun zurückkehren. Wenn wir rasch genug abreisen, können wir vor Morgon dort sein, und du kannst ihm deine Fragen stellen. Ich denke, die Nachricht selbst wird Herun vor uns erreichen, und die Morgol wird dich brauchen.«
»Wozu? Um die Grenzen von Herun gegen Thod abzuriegeln?«
»Es könnte ja sein«, versetzte Goh beschwichtigend, »daß er eine Erklärung hat, die er nur der Morgol geben will.«
»Nein«, mischte sich Rendel ein. »Er sagte, er würde nicht nach Herun reisen.«
Sie schwiegen. Der Wind frischte auf, fegte südwärts. Lyra starrte auf den Umhang in der Asche.
»Daß er den Sternenträger verraten hat«, sagte sie tonlos, »kann ich glauben, wenn es sein muß; aber wie kann ich glauben, daß er die Morgol verraten würde? Er liebte sie.«
»Laß uns aufbrechen«, drängte Kia behutsam. »Laß uns nach Heran zurückkehren. Keiner von uns weiß mehr, was zu tun ist. Diese Gegend ist wild und gefährlich; wir gehören nicht hierher.«
»Ich reise nach Herun«, verkündete Tristan plötzlich und verblüffte sie alle mit ihrer Entschiedenheit. »Ganz gleich, wo das ist. Wenn das der Ort ist, wo Morgon hingeht.«
»Wenn wir zu Schiff reisen«, sagte Rendel, »erreichen wir es vielleicht vor ihm. Ist Bri - wo ist Bri Corvett? Hat er Euch
allein losreiten lassen, mich zu suchen?«
»Wir haben ihn nicht um Erlaubnis gebeten«, erwiderte Lyra. Die Wachen stiegen schon wieder auf ihre Pferde. »Ich habe Euer Pferd mitgebracht. Als ich Bri Corvett das letzte Mal sah, durchsuchte er mit Danan und den Bergleuten die Gruben.«
Rendel griff zu ihren Zügeln und stieg steifgliedrig in den Sattel.
»Nach mir? Wieso glaubten sie, ich könnte in die Gruben hinuntergelaufen sein?«
»WeilMorgon das tat, als er dort war«, versetzte Tristan.
Sie schwang sich geschmeidig auf das kleine, zottige Pony, das die Wachen für sie besorgt hatten. Ihr Gesicht war immer noch ängstlich und voller Sorge; mit düsterem Blick betrachtete sie das freundliche Profil des Berges Isig.
»Das sagte jedenfalls Danan. Ich stand gegen Morgen auf, um mit Euch zu sprechen, weil ich einen bösen Traum gehabt hatte. Und da wart Ihr fort. Nur dieses komische Feuer brannte noch. Es war so weiß wie eine Rübe. Ich bekam es mit der Angst zu tun, deshalb weckte ich Lyra. Und die weckte den König. Danan sagte, wir sollten im Haus bleiben, während er die Gruben durchsuchte. Er hatte außerdem Angst, daß man Euch entführt haben könnte. Aber Lyra meinte, das wäre nicht geschehen.«
»Woher habt Ihr das gewußt?« fragte Rendel überrascht.
Die Wachen bildeten einen lockeren, wachsamen Kreis um sie, während sie durch die Bäume zurückritten.
»Weshalb hättet Ihr Euer Bündel mitgenommen und auch noch zu essen, wenn Ihr entführt worden wärt?« versetzte Lyra. »Das schien mir unsinnig. Deshalb ritt ich, während Danan in seinem Haus nach Euch suchte, zur Stadt hinunter und holte die Wachen. Ich hinterließ Danan eine Nachricht, in der ich ihm mitteilte, wohin wir wollten. Es war nicht schwierig, Eure Spur zu finden; der Boden ist noch weich, und an den dornigen Zweigen am Fluß hingen hie und dort kleine Fetzen von Eurem Rock. Aber dann trat Euer Pferd, das wir mitgenommen hatten, auf einen der Fäden, die Ihr uns in den Weg gelegt hattet, und riß sich von Goh los; wir brauchten eine Stunde, es wieder einzufangen. Und als wir es endlich hatten, ritt Kia wieder über so einen Faden und verschwand plötzlich im Unterholz, ehe wir es gewahr wurden. Wir vertaten also wiederum Zeit damit, sie zu suchen. Danach hielt ich nach Euren
Weitere Kostenlose Bücher