Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
Vom Netzwerk:
Echo flüsternd aus den Mauern zu einem dringt, wie das Sonnenlicht, das sich im eigenen Auge spiegelt; bis man sich eines Tages eben diese Sage ansieht, und etwas in einem selbst, das keine Gestalt und keine Stimme hat, einem ein drittes Auge öffnet, so daß man die Sage auf eine Weise sieht, wie man sie nie zuvor gesehen hat. Dann steht man plötzlich vor dem Wissen um die namenlose Frage in einem selbst, und die Sage ist nicht mehr bedeutungslos, sondern sie ist das einzige auf der Welt, das nun noch Bedeutung hat.«
    Sie brach ab, um Atem zu holen. Seine Hand schloß sich ohne Sanftheit um ihren Arm. Sein Gesicht war endlich vertraut, fragend, unsicher.
    »Was ist das für ein Rätsel? Du bist mit einem Rätsel hierhergekommen, in diese Schule?«
    »Wohin sonst hätte ich mich wenden können? Mein Vater war fort; ich versuchte, dich zu finden, und es gelang mir nicht. Du hättest wissen müssen, daß es nichts auf der Welt gibt, das sich nicht verändert -«
    »Was ist das für ein Rätsel?«
    »Du bist hier der Rätselmeister; muß ich es selbst dir sagen?«
    Seine Hand umschloß ihren Arm fester. »Nein«, sagte er und kämpfte schweigend ein letztes Mal im Inneren dieser Mauern um eine Lösung.
    Sie wartete, und ihr eigener Geist wälzte das Rätsel mit ihm, während er ihren Namen vor den Hintergrund ihres Lebens stellte, vor den Hintergrund der Geschichte von An, und immer neuen Denkwegen folgte, die nirgendwo hinführten, bis er endlich auf eine Denkbarkeit stieß, auf der sich aufbauen ließ. Sie spürte, wie seine Finger unruhig wurden. Dann hob er langsam den Kopf, bis ihre Blicke sich wieder trafen, und sie wünschte, die alte Schule der Rätselmeister würde im Meer versinken.
    »Ylon.« Er ließ das Wort fortschwimmen in neuerlicher Stille. »Ich habe es nie gesehen. Es war immer da. «
    Abrupt ließ er sie los, stand auf und schleuderte eine uralte Verwünschung in die Schatten der Nacht. Sie sprengte das Glas des Fensters in einem Spinnennetz von Sprüngen.
    »Selbst dich haben sie erreicht.«
    Sie starrte wie betäubt auf die Stelle, wo seine Hand gelegen hatte. Sie stand auf, um zu gehen, ohne zu wissen, wohin sie gehen könnte. Mit einem Schritt war er bei ihr, faßte sie, drehte sie herum, so daß sie ihm ins Gesicht sehen mußte.
    »Glaubst du, daß mich das abstößt?« fragte er ungläubig. »Glaubst du das? Wer bin ich schon, über dich zu richten? Ich bin so blind vor Haß, daß ich nicht einmal mein eigenes Land oder die Menschen sehen kann, die ich einmal liebte. Ich jage einen Mann, der sein Leben lang die Waffen getragen hat, um ihn, gegen den Rat aller Landherrscher, mit denen ich gesprochen habe, zu töten. Was hast du je in deinem Leben getan, das in mir andere Empfindungen wecken könnte als Achtung vor dir?«
    »Ich habe in meinem Leben überhaupt nichts getan.«
    »Du hast mir Wahrheit gegeben.«
    Sie schwieg, während seine Hände sie immer noch fest umfaßt hielten. Durch die Maske von Stille hindurch sah sie sein Gesicht - bitter, verletzlich, gesetzlos -, das Mal der Sterne auf seiner Stirn unter dem zerzausten Haar. Sie hob die Hände und legte sie auf seine Arme.
    »Morgon«, flüsterte sie, »sei vorsichtig.«
    »Wovor? Wozu? Weißt du, wer an jenem Tag, als Thod mich zum Erlenstern-Berg brachte, dort auf mich wartete?«
    »Ja. Ich ahnte es.«
    »Der Gründer von Lungold sitzt seit Jahrhunderten auf dem Gipfel der Welt und spricht Recht im Namen des Erhabenen. Wohin kann ich mich wenden, um Gerechtigkeit zu verlangen? Dieser Harfner ist heimatlos, an keines Königs Gesetz gebunden. Der Erhabene scheint kein Auge zu haben für unser beider Schicksal. Wird es jemanden kümmern, wenn ich ihn töte? In Ymris, in An selbst würde es keiner in Frage stellen -«
    »Kein Mensch wird je irgend etwas, das du tust, in Frage stellen! Du bist dein eigenes Gesetz, deine eigene Gerechtigkeit! Danan, Har, Heureu, die Morgol - sie alle werden dir in deines Namens willen und um der Wahrheit willen, die du allein ertragen hast, alles geben, was du verlangst; aber Morgon, wenn du dein eigenes Gesetz schaffst, wohin sollen dann wir uns wenden, wenn es je nötig sein sollte, um ausgleichende Gerechtigkeit zu verlangen?«
    Er blickte auf sie hinunter; sie sah das Flackern der Unsicherheit in seinen Augen. Dann schüttelte er den Kopf, langsam und starrsinnig.
    »Nur eines. Nur dies eine. Irgendeiner wird ihn früher oder später töten - ein Zauberer, Ghisteslohm selbst vielleicht. Und ich habe

Weitere Kostenlose Bücher