Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
Vom Netzwerk:
zu einem der Bücher, das aufgeschlagen dalag, und blätterte eine Seite um.
    »Mir geht da eine alte Geschichte durch den Kopf, die es vielleicht gar nicht wert ist, daß man sich mit ihr befaßt. Sie kommt aus Ymris und findet sich, glaube ich, in Aloils Sagensammlung. Sie enthält eine Andeutung von Gestaltwandlung...«
    Rendel stand auf. Sie hatte das Gefühl, als umwallten Gedankenfetzen sie wie Nebelschwaden. Die Gesichter der Meister schienen fern, leicht verwundert, als sie sich erhob.
    »Ich schlafe schon halb«, murmelte sie entschuldigend.
    »Verzeiht«, sagte Großmeister Tel. Mit sanfter Hand nahm er ihren Arm und geleitete sie zur Tür. »Einer der Schüler war gescheit genug, zum Hafen hinunterzugehen und Eurem Kapitän zu sagen, daß Ihr hier seid; er hat Euer Bündel mitgebracht. Irgendwo im Haus hat man Euch ein Zimmer bereitet; ich bin nicht sicher -«
    Er öffnete die Tür, und ein junger Schüler, der lesend an der Wand lehnte, richtete sich ruckartig auf und klappte sein Buch zu. Er hatte ein schmales, dunkles Gesicht mit einer Hakennase und begrüßte Rendel mit einem scheuen Lächeln. Er trug noch das rote Gewand. Die langen weiten Ärmel waren an den Säumen befleckt, als hätte er in seinem Gewand bei der Zubereitung des Nachtmahls geholfen. Nachdem er sie mit diesem kurzen scheuen Lächeln angeblickt hatte, senkte er den Kopf und sagte zaghaft zum Boden: »Wir haben Euch nicht weit von den Gemächern der Großmeister eine Kammer bereitet. Ich habe Eure Sachen gebracht.«
    »Ich danke Euch.«
    Sie wünschte Großmeister Tel gute Nacht und folgte dem Schüler durch die stillen Gänge. Er sprach nichts. Den Kopf noch immer gesenkt, eine scheue Röte in den Wangen, führte er sie zu einer der kleinen, kahlen Kammern. Ihr Bündel lag auf dem Bett; Krüge mit Wasser und Wein standen auf einem kleinen Tisch unter einem Leuchter mit brennenden Kerzen. Die Fenster, die tief in den rauhen Stein eingelassen waren, standen der salzigen Nachtluft offen, die vom Meer her emporstieg.
    »Ich danke Euch«, sagte sie nochmals und trat zum Fenster, um hinauszublicken, obwohl sie nichts sehen konnte als den alten Mond, vor dessen schmaler Sichel ein verlorener Stern hertrieb. Sie hörte, wie der Schüler hinter ihr einen unsicheren
    Schritt machte.
    »Die Laken sind grob.« Dann schloß er die Tür und sagte: »Rendel.«
    Das Blut gefror ihr in den Adern.
    Im weichen, flackernden Licht der Kerzen war sein Gesicht ein verschwommenes Oval harter Linien und Schatten. Er war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte; das befleckte rote Gewand, das sich mit seinem Gestaltwandel nicht verändert hatte, spannte über seinen Schultern. Ein Luftzug streifte das Kerzenlicht, zog die Flammen zu ihm hin, und sie sah seine Augen. Sie drückte die Hände auf ihren Mund. »Morgon?« Ihre Stimme schwankte. Keiner von beiden bewegte sich; es war, als türmte sich eine Mauer zwischen ihnen. Aus Augen, die endlos in die schwarzen Grotten des Erlenstern-Bergs, in die Klüfte und Abgründe im Geiste eines Zauberers geblickt hatten, sah er sie an. Da ging sie auf ihn zu, ging durch die Mauer hindurch, berührte etwas, das ewig schien wie der Wind oder die Nacht, das die Gestalt aller Dinge hatte und zugleich keine, das so abgeschliffen war wie ein Kiesel vom unaufhörlichen Fluß des Wassers. Er machte eine Bewegung, das Wissen um seine eigene Gestalt kehrte in ihre Hände zurück. Sie spürte, wie seine Hand, leicht wie ein Hauch, über ihr Haar strich. Dann waren sie wieder getrennt, wenn sie auch nicht wußte, welcher von ihnen sich entfernt hatte.
    »Ich wäre zu dir nach Anuin gekommen, aber du warst hier.« Seine Stimme klang tief, rauh, abgenützt. Er ging zum Bett und setzte sich.
    Wortlos starrte sie ihn an. Er hob seine Augen zu den ihren, und seine Züge, die eines Fremden, mager, knochig, reglos, nahmen plötzlich einen Zug ergreifender Sanftheit an. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Du hast mich nicht erschreckt.« Ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen, so als wäre es der Wind neben ihr, der sprach. Sie setzte sich zu ihm. »Ich habe dich gesucht.«
    »Ich weiß. Ich habe es gehört.«
    »Ich glaubte nicht - Har sagte, du würdest nicht hierher- kommen.«
    »Ich sah das Schiff deines Vaters vor der Küste von Ymris. Da dachte ich mir, daß ihr vielleicht hier anlegen würdet, da ja Tristan bei euch war. Deshalb bin ich gekommen.«
    »Es kann sein, daß sie noch hier ist; Meister Cannon kam, sie zu

Weitere Kostenlose Bücher