Erebos
begegnet?«
»Nein. Adrian ist erst nach seinem Tod an unsere Schule gekommen.«
»Das dachte ich mir. Dann mach dich auf eine Überraschung gefasst.« Victor drehte den Bildschirm herum.
Nun entfuhr Emily ein leiser Schrei und sie griff nach Nicks Hand. »Das ist … ist das nicht …«
»Ja«, flüsterte Nick. Er blickte McVay ins Gesicht, erkannte die Augen, das schmale Gesicht, den kleinen Mund. Larry McVay war der tote Mann.
31.
Victor schaltete den Computer aus. »Wer hat den Typ in das Spiel programmiert?«, fragte er mit schwacher Stimme. »Wer kommt auf eine so makabre Idee?«
Niemand antwortete.
Nick warf einen Blick auf die Uhr, es war kurz nach eins. Adrian war vermutlich gerade beim Mittagessen. Danach würde er weitere zwei oder drei Stunden Unterricht haben, es hatte also keinen Sinn, jetzt schon zur Schule zu fahren.
»Wir müssen heute noch mit ihm reden«, sagte Emily, als hätte sie Nicks Gedanken gelesen.
»Ja. Fahren wir zur Schule, vielleicht erwischen wir ihn in einer der Pausen. Nein, Schwachsinn. Es darf niemand merken, dass wir etwas von ihm wollen.«
»Wieso?«, warf Emily ein. »Bei mir schöpft niemand Verdacht. Ich bin offiziell Erebos-abhängig.«
Das stimmte. Nun brauchten sie nur noch einen Treffpunkt, an dem sie sicher sein konnten, dass niemand sie zusammen sehen würde.
»Hier!«, rief Victor.
»Zu gefährlich. Wenn uns doch jemand folgt, fliegst du auf, und du bist unsere letzte Verbindung zum Spiel. Du bist der Einzige, der uns sagen kann, was sich in Erebos tut«, widersprach Emily.
»Moment. Du bist doch auch noch drin!«
»Aber nur noch theoretisch.« Sie lächelte und blickte auf ihre Armbanduhr. »In siebzehn Minuten sollte ich Mr Watson aufsuchen und ihn in eine verfängliche Situation bringen. Ich denke aber nicht dran, deshalb – goodbye, Hemera.«
»Na gut«, brummte Victor. »Ist aber ganz schön rücksichtslos, sich nur auf mich zu verlassen. Was, wenn das Spiel nun mich bittet, diesen Mr Watson zu verführen? Dann muss ich es tun, damit wir den Zugang nicht verlieren?«
Sie lachten, es fühlte sich befreiend an.
»Dann gibt es immer noch Kate, doch die ist nicht so brillant wie du«, sagte Nick. »Du solltest jetzt übrigens weiterspielen. Ihr seid so nah an Blackfriars dran, es kann jede Minute losgehen. Und dann müssen wir es wissen, okay?«
Victor schob die Unterlippe vor und begab sich in das Computerzimmer. »Ich erfahre also nicht, was Adrian McVay zu sagen hat?«
»Doch. Wir schicken dir eine abhörsichere Brieftaube«, sagte Emily mit todernster Miene. »Nick, wo treffen wir uns? Ein Café ist zu unsicher, aber vielleicht ein Park? Eine Stelle im Hyde Park, wo wir die Umgebung gut überblicken können?«
»Nein. Dort könnte man uns immer noch sehen.« Eine Idee schoss Nick durch den Kopf. Er schrieb Emily eine Adresse auf ein Stück Papier. »Dort sind wir sicher. Hundertprozentig. Ich werde dort auf euch warten.«
Becca fiel ihm zuerst um den Hals, dann Finn. »Kleiner! Was für eine schöne Überraschung! Willst du Kaffee? Kommst du wegen dem Notebook?«
Nick verneinte beide Fragen. »Ich bräuchte einen ruhigen Ort, für eine Art … Besprechung. Ich habe zwei Freunde herbestellt, die kommen in der nächsten Stunde. Ist das okay?«
Finn legte ihm einen Arm um die Schultern, was sich nicht ganz einfach gestaltete, da Nick einen halben Kopf größer war. »Du bist so nervös – hast du Probleme? Geht es bei deiner Besprechung eventuell um etwas nicht ganz Legales?«
»Was? Nein!« Nick schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Eher im Gegenteil. Ist sehr kompliziert, aber ganz sicher nicht ungesetzlich.«
»Na dann.« Finn führte ihn in eines der drei Studios. Die Wände waren voll mit den Fotos frisch gestochener Tattoos an allen denkbaren Körperteilen. »Ist es dir hier recht? Das größere Studio brauche ich heute und bei Becca sind noch ein paar Leute für Piercings angemeldet.«
»Hier ist es perfekt.«
»Gut. Mit Mum und Dad alles in Ordnung?«
»Ja, alles bestens.«
Finn zog die Augenbrauen hoch – mittlerweile auf jeder Seite sechsfach durchstochen, wie Nick registrierte –, vermutlich aus Verwunderung über die ungewöhnliche Einsilbigkeit seines Bruders. Er ging, kam aber drei Minuten später mit Orangensaft und Keksen zurück. »Keiner soll den Dunmores vorwerfen können, dass sie schlechte Gastgeber sind.«
»Danke.«
Die Minuten zogen sich. Nick versuchte sich abzulenken, indem er Finns Galerie studierte.
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