Erebos
Einen mit Rosenranken überzogenen Rücken, einen Bizeps mit Alpenpanorama und einen Knöchel mit sich küssenden Delfinen.
Ob Emily es schaffte, Adrian zum Mitkommen zu bewegen? Andererseits, warum sollte er es nicht wollen? Er war so neugierig gewesen, etwas über das Spiel zu erfahren.
Da! Jetzt klingelten die Glöckchen, die Becca über der Ladentür angebracht hatte. Kunden? Oder Emily?
»Hallo, wir sind hier mit Nick Dunmore verabredet.« Emily.
Finn führte sie und Adrian herein.
Nick konnte nicht umhin zu bemerken, wie interessiert Emily seinen Bruder begutachtete. Den etwas weniger lang geratenen Prototyp.
»Hallo.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, der ihn einen Moment lang schweben ließ. Hinter ihr stand Adrian und lächelte, sein blondes Haar stand an einer Kopfseite hoch, was ihm ein koboldhaftes Aussehen verlieh.
»Tolle Bilder sind das«, sagte er und deutete auf die Wände. »Vielleicht lasse ich mir auch mal eins stechen.«
Finn strahlte. »Dann kommst du zu mir und ich mache dir einen Sonderpreis. Und jetzt überlasse ich euch eurer Geheimsitzung. Falls jemand doch noch Bedürfnisse hat, die Küche ist zwei Türen weiter links, das Klo genau gegenüber.« Damit ging er.
Adrian setzte sich auf das, was Nick »Behandlungsstuhl« nannte, und sah ihn erwartungsvoll an. »Emily meint, ihr müsstet etwas mit mir besprechen? Es geht um Erebos?«
Man konnte Adrian jedenfalls nicht vorwerfen, lange um den heißen Brei zu reden.
»Ja«, antwortete Nick. »Zuerst einmal: Emily und ich sind nicht mehr dabei. Du musst von uns also nichts befürchten.«
»Okay.«
Es fiel Nick schwer, einen Anfang zu finden. Gleich würde er in Adrian eine alte Wunde aufreißen und darin herumbohren. Er strich sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus den Augen.
»Erebos hat irgendwie mit deinem Vater zu tun.« Er sah, wie Adrians Augen sich weiteten, und ohrfeigte sich selbst in Gedanken. Sehr einfühlsam, Idiot.
»Woher weißt du das?«, flüsterte Adrian. »Nicht von mir. Ich habe keinem etwas verraten.«
Nick und Emily wechselten einen Blick.
»Ich bin jetzt ein bisschen überrascht, dass du es weißt«, sagte Emily.
»Natürlich weiß ich es. Ich wusste nur lange nicht, was es ist.« Er lächelte, es sah aus, als wolle er sich entschuldigen. »Natürlich habe ich mir gedacht, dass es ein Spiel ist. Mein Vater hat ja fast nur Spiele programmiert. Aber sicher war ich nicht.«
Nick verstand kein Wort. Er musste noch einmal von vorn anfangen. »Du hast mir letztens gesagt, dass du keine der DVDs nehmen darfst, aber dass du wissen musst, was sich darauf befindet. Wieso?«
»Ich durfte keine nehmen, weil Dad es mir verboten hat.«
Wieder wechselten Nick und Emily einen schnellen Blick.
»Das verstehe ich nicht«, meinte Emily. »Dein Vater ist doch tot.«
»Natürlich.« Er sah jetzt weg, betrachtete seine Schuhspitzen. »Dad hat es mir geschrieben. Er hat mir alles genau aufgeschrieben.«
»Was? Was hat er dir aufgeschrieben?«
Ohne aufzusehen, schüttelte Adrian den Kopf. »Nein, erst ihr. Ich will wissen, was für ein Spiel Erebos ist.«
Nick hörte sich selbst seufzen. »Es ist ein großartiges, spannendes Spiel. Wenn man einmal angefangen hat, kann man kaum wieder aufhören.«
Adrian strahlte den Boden an. »So waren alle von Dads Spielen.«
»Bist du denn sicher, dass dein Vater es programmiert hat?«, meldete sich Emily.
Nun sah Adrian hoch und in seinen Augen stand milde Empörung. »Auf jeden Fall. Sonst hätte er nie gesagt, dass es sein Vermächtnis ist.«
»Das hat er gesagt?«
»Geschrieben. In diesem Brief. Dass es sein Vermächtnis ist und dass ich es weitergeben soll.« Adrian blickte von Nick zu Emily und wieder zurück, dabei schien ihm klar zu werden, dass sie mit seiner Erklärung nichts anfangen konnten.
»Dad ist vor zwei Jahren gestorben«, sagte er. »An seinem zweiten Todestag hat sein Notar mich angerufen und mir gesagt, dass bei ihm ein Brief für mich liegen würde. In dem Umschlag war eine Nachricht von meinem Vater – und zwei DVDs.«
Nick schnappte nach Luft. »Du hast das Spiel an unserer Schule verbreitet?«
»Verbreitet? Na ja, ich habe eine DVD jemandem aus meiner Klasse gegeben. Die zweite einem Jungen, den ich von früher kenne und der eine andere Schule besucht. Dad wollte nicht, dass beide DVDs am gleichen Ort landen. Außerdem wollte er, dass ich mir gut überlege, wem ich sie schenke. Gib sie jemandem, von dem du denkst, dass sein Leben leer
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