Erebos
gegessen?«
»Verdammt, kannst du mich nicht die eine Minute noch in Frieden lassen?«
Da ist die Schüssel. Gegen einen Baumstamm gekullert. Hinter ihm plötzlich ein Geräusch, erschreckend laut. Er fährt herum.
War aber nur seine Mutter, die die Tür zugeschlagen hat.
6.
In der Küche brodelte Wasser in einem großen Topf. Mum hatte die Ellenbogen auf die Anrichte gestützt und blätterte in einer Frauenzeitschrift. Ihr Rotweinglas war bis auf einen Schluck leer.
»Tut mir leid wegen gerade eben.« Nick musterte seine Mutter von hinten. Sie hatte sich zwei orange Strähnen ins schwarze Haar gefärbt, die waren neu und gefielen ihm nicht.
»Es gibt Nudeln mit Fertigsoße«, sagte sie, ohne aufzusehen. »Mehr schaffe ich heute nicht mehr.« Sie gähnte. »Was war das denn, wobei ich dich so empfindlich gestört habe?«
»Ach nichts. Tut mir leid, ich hab mich idiotisch benommen.«
»Stimmt.« Mum drehte sich zu ihm um und lächelte. »War wohl gerade spannend?«
»Ja.« Er fühlte sich verpflichtet, etwas ausführlicher zu werden. »Ich habe es heute neu bekommen. Ein Adventurespiel. Wirklich nicht schlecht.«
Seine Mutter schüttete die Nudeln in das kochende Wasser. »Ich hoffe, du hast auch etwas für die Schule getan.«
»Sicher«, sagte Nick und verbarg sein schlechtes Gewissen hinter einem Lächeln.
23 Uhr. Das Summen der Glühbirne über dem Schreibtisch. Ein einparkendes Auto in einer nahen Straße. Und die erschöpfte Ruhe in einer Wohnung, in der es nach Tomatensoße mit Knoblauchpulver roch.
Nick hatte nach dem Essen noch schnell sein Essay für Englisch hingeschmiert. Jetzt schaltete er den Computer an und startete Erebos. Er wartete minutenlang voller Nervosität darauf, dass das Schwarz des Bildschirms verschwinden und die rote Schrift erscheinen würde. Merkte erst, dass er die Luft angehalten hatte, als er sie beim Starten des Spiels erleichtert ausstieß.
Die nächtliche Landschaft ist ihm fremd – das ist nicht der Wald, in dem er den Grabräuber erschlagen, und nicht die Stelle, an der er gegen den Troll gekämpft hat. Es ist Heideland, ein wenig hügelig. Da und dort steht ein Baum.
Der Grabräuber! Sarius fällt ein, dass er noch nicht überprüft hat, ob ihm all die erbeuteten Schätze erhalten geblieben sind. Er wirft einen Blick in sein Gepäck und seufzt zufrieden. Die Schüssel ist da, der Helm, der Dolch, das Amulett. Den Helm will er gleich aufsetzen, doch ärgerlicherweise klappt das nicht.
Er geht ein Stück weiter durchs knisternde Heidegras, wieder einmal ohne Hinweis auf ein Ziel. Er wünscht sich die Musik herbei oder Stimmen, aber da ist nur die leichte Brise des Nachtwinds und … ein entferntes Rauschen. Diesmal zögert er nicht, er folgt dem Geräusch und stößt schon bald auf einen Fluss, der in der nächtlichen Landschaft hellblau und völlig unnatürlich leuchtet. Sarius hält Ausschau nach einem Feuer. Ohne Feuer keine Gespräche, ohne Gespräche keine Informationen. Er könnte selbst eines entfachen, die Fähigkeit hat er schließlich. Vielleicht würde das Licht jemanden anlocken und sie könnten sich unterhalten. Sarius platzt fast vor lauter unausgesprochenen Fragen. Dann erinnert er sich aber, dass Sapujapu sein Feuer erst angemacht hat, nachdem der Bote mit den gelben Augen es erlaubt hatte. Besser keine Regeln verletzen.
Er wandert lange, bis er in einiger Entfernung einen Lichtschein zu sehen glaubt. In seine erste Freude mischt sich Unbehagen, Sarius allein im Wald fühlt sich sehr angreifbar an. Er zieht sein Schwert, kommt sich sofort lächerlich vor und steckt es wieder ein. Jeder seiner Schritte erscheint ihm verräterisch laut.
Als das Feuer in Sicht kommt, atmet er auf. Die Szene wirkt friedlich. Nur zwei Gestalten stehen im flackernden Licht: ein Dunkelelf und ein Vampir. Er kennt sie beide nicht.
»Hi. Ist hier noch ein Platz frei?«
Der Dunkelelf, der Xohoo heißt, tritt einen Schritt zur Seite.
»Klar ist hier Platz. Sogar für eine Eins. Wie heißt du – Sarius? Scheiße, das erinnert mich an Latein.«
»Keine Hinweise auf die Welt außerhalb von Erebos«, warnt ihn der Vampir, dessen Name Drizzel lautet. »Sonst kriegst du vom Boten so heftig eins auf die Finger, dass du kein Schwert mehr halten kannst.«
Drizzel. Der Name ist Sarius schon einmal untergekommen, nur an den Zusammenhang kann er sich nicht mehr erinnern. Nachdenklich betrachtet er den blau leuchtenden Fluss.
»Sagt mal, kann ich euch etwas
Weitere Kostenlose Bücher