Erebos
ich. Mir gefällt das ganze Drumherum nicht. Außerdem sind es immer irgendwie eklige Typen, die damit ankommen, und von denen mag ich mir nichts schenken lassen.«
Nick schloss die Augen. Um ein Haar hätte er sich bei den ekligen Typen eingereiht.
»Also?«, fuhr Emily fort. »Was hast du erfahren?«
»Nichts. Tut mir leid. Ich wollte etwas ganz anderes …«
»Aha. Und was?«
Nicks Gehirn war wie leergesaugt. Verzweifelt schnappte er nach dem ersten Gedanken, der sich greifen ließ.
»Es ist wegen … Adrian. Adrian McVay. Hast du zufällig seine Telefonnummer?«
Die Stille am anderen Ende der Leitung klang nach Fassungslosigkeit. Nick hasste sich für seine Dummheit.
»Meinst du den dünnen Blonden, der immer ein wenig verschreckt aussieht? Der, dessen Vater Suizid begangen hat?«
Nun war Nick für einen Moment sprachlos. ›Suizid begangen‹ – seit wann drückte Emily sich so aus?
»Ja. Sein Vater hat sich umgebracht.«
»Ich kenne Adrian nur ganz flüchtig vom Sehen. Wie kommst du darauf, dass ich seine Nummer haben könnte?«
Ja, wie eigentlich? Nick lehnte seine Stirn an die nächste Hauswand, sehr in Versuchung, mit dem Kopf kräftig dagegenzuschlagen.
»Nur so. Ich dachte, ihr kennt euch. Das war dann wahrscheinlich ein Irrtum von mir. Tut mir leid.«
Gleich würde er das Gespräch beenden können, was einerseits eine große Erleichterung war, andererseits auch nicht, denn es war kein gutes Gespräch gewesen. Er unternahm noch einen Versuch, es zu retten. »Wie geht es dir sonst? Hast du schon deine Chemie-Hausarbeit fertig?«
Schweigen. Wahrscheinlich hatte Emily den plötzlichen Themenwechsel als genau das identifiziert, was er war: eine Verlegenheitslösung.
»Raus damit, Nick, was willst du denn wirklich?«
Dir Erebos schenken. Oder wenigstens deine Stimme hören.
»Hab ich doch gesagt, die Nummer von Adrian.« Auweia, hatte das eben patzig geklungen? »Tut mir leid, ich dachte, du hättest ihm mal Nachhilfe gegeben, aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
»Ja.« Emily klang, als würde sie ihm glauben. Ein Glück. Nun rumorte es bei ihr im Hintergrund, es raschelte, als würde sie das Mikrofon ihres Handys abdecken. Dann meldete sie sich wieder. »Du, Nick, ich muss aufhören. Dad kommt mich in einer halben Stunde abholen und ich muss meiner Mutter vorher noch bei etwas helfen.«
»Oh. Ja klar. Ich wünsche dir noch einen schönen Sonntag.«
Er war keinen Schritt weitergekommen. Bis zum Mittag musste er an der Arena sein und nun war es schon fast neun. Adrian, er musste Adrian erreichen.
Er öffnete das Adressbuch seines Handys und ging Namen für Namen durch, vielleicht hatte einer seiner Kumpels eine Verbindung zu Adrian.
Bei Henry Scott blieb er hängen. Henry war auch im Basketball – und er ging in Adrians Klasse. Bingo.
Nach zweimaligem Freizeichen hob Henry ab.
»Hi. Sag mal, kannst du mir die Telefonnummer von Adrian McVay geben?«
»Klar. Warte einen Moment.«
Henry diktierte Nick eine Festnetznummer, was nicht ideal war, aber egal.
»Was möchtest du denn von Adrian?«
Nachdem Henry so entgegenkommend gewesen war, konnte Nick ihm schlecht sagen, er solle sich seine Neugier sonst wohin stecken.
»Ach, ich hab da etwas, was ich ihm geben möchte.«
Er konnte die plötzliche Aufmerksamkeit seines Gesprächspartners förmlich spüren.
»Ist das etwas, das du mir auch geben könntest?«
Holla. Nick musste grinsen.
»Na ja, theoretisch …«
»Ist es außen eckig und innen rund und silbern?«
Nun lachte Nick laut heraus.
»Ja, allerdings.«
»Dann ist es bei mir besser aufgehoben. Adrian hat schon einmal Nein dazu gesagt. Da verschwendest du deine Zeit.«
Also hatte der Bote wieder recht gehabt. War es wirklich möglich, dass alle von Nick herausgepickten Kandidaten nichts von Erebos hielten? Warum, wo sie das Spiel doch gar nicht kannten?
»Na gut, wenn du es sagst. Dann gebe ich es eben dir. Wo wohnst du denn?«
»Gillingham Road. Wir können uns aber auch auf halbem Weg treffen!« Henry klang ungemein eifrig.
»In Ordnung. Treffen wir uns bei der Station Golders Green, die müsste in der Nähe sein, oder?«
Eine halbe Stunde später hatte Nicks Erebos-Kopie den Besitzer gewechselt. Henry war zu allen Zusagen bereit gewesen: totale Verschwiegenheit, Geheimhaltung und Diskretion; keine Fragen, keine Zweifel, nur eifriges Kopfnicken. Er besaß ein eigenes Notebook und brannte darauf loszulegen. Nick hatte sich des Eindrucks nicht erwehren
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