Erebos
würde lieber um einen Wunschkristall kämpfen«, sagt er ohne große Hoffnung.
Aus der Nähe ist das Glotzauge von schwer zu ertragender Hässlichkeit. Die erdbraune Haut weist Sprünge und Risse auf, als wäre Farbe auf einer alten Leinwand aufgeplatzt. Das Gefühl, dass der Zeremonienmeister nicht hierher gehört, verdichtet sich in Sarius’ Kopf zur Gewissheit.
»Ein Wunschkristall steht nicht zur Auswahl«, erklärt der Mann. »Ihr kämpft um eine Entwicklungsstufe. Das muss genügen.« Er hebt seinen muskulösen Arm zum Zeichen, dass sie beginnen dürfen.
Der Trick muss es sein, an Feniels Lanze vorbeizukommen. Sarius tänzelt hin und her. Nur nicht zu langsam sein. Nur kein leichtes Ziel sein. Leider macht sein Gehopse Feniel nicht mal ansatzweise nervös, sie wirkt, als hätte sie endlos viel Zeit, steht ganz ruhig, die Hellebarde in beiden Händen und die Spitze – natürlich – auf ihn gerichtet. Sarius probiert einen Ausfall, nur zum Schein, und springt sofort wieder außer Reichweite. Nichts geschieht, die Hellebardenspitze zuckt einmal kurz in seine Richtung, das ist alles. Erst in dem Moment, als er sein Schwert ein wenig senkt, mehr aus Ratlosigkeit als aus Erschöpfung, explodiert Feniel förmlich. Zwei Sprünge und sie ist bei ihm, die Spitze ihrer Waffe direkt auf seine Brust gerichtet. Er reißt den Schild hoch, doch es ist schon zu spät, sie trifft, der kreischende Ton setzt ein, er schlägt ihre Hellebarde mit dem Schwert zur Seite.
Kreide auf Tafel, Gabel auf Porzellan. Säge direkt am Hörnerv. Diesmal weckt der Ton in Sarius nichts als Wut. Ohne auf seine Verteidigung zu achten, schlägt er ein weiteres Mal mit dem Schwert gegen die Hellebarde, fest, so fest er kann. Er lässt seinen Schild fallen und packt den langen Stiel, drückt ihn von sich weg.
»Sarius – Sarius – Sarius!«
Feuern sie ihn an? Es ist mehr ein Flüstern als ein Rufen, vielstimmig, wie von Gespenstern. Hypnotisieren sie ihn?
Er tritt auf seinen weggeworfenen Schild und stolpert beinahe, doch Feniels Waffe lässt er nicht los, um keinen Preis. Ihr Körper ist ungeschützt, wenn er jetzt zögert, ist er ein Idiot, dann wird sie einen Treffer landen, der Ton wird sein Gehör zerschneiden wie Glas …
Er stößt seine Waffe in Feniels Brust, zieht sie wieder heraus, stößt sie ihr in den Bauch. Blut strömt aus beiden Wunden, Feniels Hände gleiten von der Hellebarde, sie selbst stürzt zu Boden. Sarius setzt nach, ihr Gürtel ist schon so gut wie farblos, ein Schlag noch, ein Stich und …
»Sieger ist Sarius.«
Die Stimme reißt ihn aus seinem Kampfrausch. Feniel rührt sich nicht mehr, kein Stück. Er senkt sein Schwert und im gleichen Moment verstummt der Verletzungston, Musik brandet auf. Großartige Musik, wie im Film, wenn der Held die entscheidende Schlacht gewonnen hat. So ist es auch bei Blood-Work gewesen, allerdings bei keinem der anderen Kämpfer. Warum? Weil nur ich sie hören kann, wird Sarius klar, weil sie Teil meiner Belohnung ist, so wie die Vier, die jetzt sicher auf meinem Harnisch steht, und die Zwei, die plötzlich auf Feniels Lederweste auftaucht.
Seine Gegnerin wird davongetragen, nicht an den Beinen fortgeschleppt wie Xohoo, sondern vorsichtig – und schnell. Sehr wahrscheinlich also, dass sie lebt und ihr ein eingehendes Gespräch mit dem Boten bevorsteht.
Er hingegen ist eine Vier. Eine siegreiche, unverletzte Vier. Sarius stellt sich zurück in die Ecke der Dunkelelfen. Er blickt sich um – nun kann er die Dreien klar erkennen und von denen gibt es eine Menge. Die Werwölfin zum Beispiel, die der Zeremonienmeister gerade aufruft.
»Galaris!«
Moment mal. Galaris, den Namen kennt Sarius. Die Holzkiste. Totteridge. Das Dollis Brook Viaduct. Hat Galaris die ominöse Kiste unter der Eibe versteckt?
Fragen kann er sie nicht, sie ist gerade damit beschäftigt, sich einen Gegner auszusuchen. Zudem hat Sarius so eine Ahnung, dass seine Neugier vom Boten und seinen Gnomen nicht gern gesehen werden würde. Galaris, deren dunkelbraunes Haar in der Sonne schimmert wie flüssige Schokolade, entscheidet sich für eine Barbarin namens Rahall-LA. Mutig. Oder dumm. Am Ende lohnt es sich, denn sie kämpft mit Pfeil und Bogen und Rahall-LA – ebenfalls eine Drei – kommt nicht einmal in ihre Nähe.
Danach kämpfen einige der höheren Level gegeneinander, die Kämpfe dauern lange und werden mit enormer Vehemenz ausgetragen. Sarius versucht, sich die Namen zu merken und eventuelle Schwächen
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