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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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und bückte sich langsam nach dem ersten Buch, richtete sich aber nicht mehr auf, sondern blieb am Boden kauern, das Buch gegen die Brust gedrückt. Ihre Schultern bebten.
    »Ist dir schlecht?«, fragte Nick leise, bekam aber keine Antwort. Er sah sich Hilfe suchend um. Wo waren denn die anderen? Jamie zum Beispiel. Oder Brynne, die war doch sonst immer in Sichtweite.
    Weil er nicht wusste, was er anderes machen sollte, sammelte Nick die Bücher ein und packte sie in den Schrank zurück.
    Rashid kam gähnend heran, würdigte Aisha keines Blickes und ging wieder, die Biologiebücher unter dem Arm.
    Also doch Bio. Ein letztes Mal suchte Nick Aishas Blick, aber sie hatte die Augen geschlossen. Bedrückt, aber gleichzeitig erleichtert, schnappte er sich seine Unterlagen und lief Rashid nach.
    Es war schwer, wach zu bleiben, so schwer. Nick stützte sein Kinn in die linke Hand und starrte nach vorn zur Tafel, bis ihm die Augen tränten. Nur nicht nach rechts sehen, wo Greg saß und ihn mit Blicken durchbohrte. Oder nach links, wo Emily und Jamie sich eine Bank teilten und eindringlich miteinander flüsterten. Aisha war auch da, sie schien sich wieder im Griff zu haben. Na also.
    Wenn er die Augen schloss, brannten sie nicht mehr so heftig. Ganz kurz nur. Das tat gut. Richtig gut. Richtig – Ein schmerzhafter Schlag in die Rippen warf ihn fast vom Stuhl.
    »Nicht einpennen, Idiot«, zischte Colin. »Wir sollen uns unauffällig verhalten. Hast du das vergessen?«
    »Was? Nein …«
    »Egal. Reiß dich zusammen.«
    »Schlag mich ja nicht noch einmal, kapiert?«
    Colin hob belustigt die Augenbrauen. »Ja, Madame.«
    Nick kämpfte sich durch diese Stunde und die nächste. In der darauffolgenden Pause stellte er sich in die Schlange vor dem Kaffeeautomaten. Jemand tippte ihm gegen den Rücken. Es war Brynne, die ihm, kaum dass er sich umdrehte, ein Küsschen auf die Backe drückte.
    »War schön gestern Nachmittag«, wisperte sie.
    »Ja. Nett.« Nick gähnte demonstrativ, damit sie seine mangelnde Begeisterung leichter mit Müdigkeit verwechselte. Trotzdem wurde Brynnes Lächeln dünner.
    »Brauchst du auch so dringend Kaffee?«, fragte Nick, bemüht um ein unverfängliches Thema, doch Brynne kam zu keiner Antwort mehr. Ein gellender Schrei brachte alle Gespräche zum Verstummen.
    Von einer wachsenden Menschentraube umgeben, stand Aisha in der Mitte der Halle und klammerte sich an Emily. Vor den beiden stand mit fassungslosem Gesicht Eric Wu.
    »Fass mich nicht an! Nie wieder!«, kreischte Aisha.
    Nick gab seinen Platz in der Kaffeeschlange auf und drängte sich durch die dichter werdende Zuschauermenge, als wäre er ein Arzt, der es eilig hätte, zur Unfallstelle zu kommen. Sein Mund war trocken.
    Aisha hatte ihr Gesicht in Emilys Schulter vergraben und schluchzte.
    »Ich bin sicher, du irrst dich«, sagte Emily leise. Sie strich Aisha über den Kopf, wobei sie ihr das Kopftuch versehentlich in den Nacken schob. »Es war bestimmt jemand anderes.«
    »Nein. Ich weiß es genau. Er war es. Nach dem Literaturklub wollte er mich noch zur U-Bahn begleiten und meinte, dass der Weg durch den kleinen Park viel netter wäre …« Ihr Schluchzen wurde lauter.
    Emily versuchte mit bebenden Fingern, das Kopftuch wieder an den ursprünglichen Platz zu ziehen, gab es aber bald auf.
    »Er hat mei … ne Blu … se zer … ris … sen und mich über … all an … ge … fasst …« Die Silben kamen nur noch abgehackt aus Aishas Mund. Sie krempelte ihren Ärmel hoch und zeigte einen blauroten Fleck am Ellenbogen. »Da!«, stieß sie hervor.
    Nick biss sich auf die Lippen, bis es richtig wehtat. Das hat nichts mit mir zu tun. Natürlich nicht. Doch nicht so schnell.
    »Ist doch alles nicht wahr«, rief Eric. Er war blass und konnte kaum aufhören, seinen Kopf zu schütteln. »Einfach nicht wahr.«
    »Ich habe euch gemeinsam weggehen sehen«, sagte Rashid.
    »Ich auch«, stimmte Alex ihm zu.
    Emily fixierte die Häkelschwester mit schmalen Augen. »Ist ja interessant. Ihr seid doch beide nicht im Literaturklub.«
    »Na und? Gibt ja noch andere Dinge, die einen länger in der Schule halten können«, gab Alex zurück.
    Emilys Blick wanderte zwischen Alex, Eric und der schluchzenden Aisha hin und her.
    »Sie lügt«, sagte Eric, diesmal lauter.
    Aisha wirbelte herum. »Das sagen die Männer dann immer, nicht?«
    »Was sagen die Männer immer?« Mr Watson bahnte sich einen Weg durch das Schülergedränge und drückte Alex im Vorbeigehen eine

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